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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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graugelbe Wand nach Osten.
    »Ei ja!«, rief Glück und reckte sich wie ein Feldherr, »diese Gefahr ist vorüber.«
    Er schaute nach den Kamelen, aber sie weideten im Talgrund, als ob Sturm und Sonnenschein ein und dieselbe Sache wäre. Gontschuk
     ging, um die Pferde für ein paar Stunden freizulassen.
    »Ene ju beino?«, fragte Christian.
    Er deutete auf vier Tiere, die zwischen den Kamelen zum Vorschein kamen. Sie waren braun und am Bauch ein wenig weiß, und
     als sie furchtlos zur Sandbank schauten, stellten sie die merkwürdig langen Ohren.
    »Aha«, rief Glück freundlich, »da seid ihr ja.«
    »Wildesel«, erklärte Ungemach, »sind die letzten Geschöpfe der Welt. Ich glaube, ich sagte das schon einmal.«
    Jetzt hatte auch der Pudel die Kulane bemerkt, und bevor Christian ihn fassen konnte, war er davon. Über seinem Rücken schlug
     das Derresgras zusammen, und drei der Wildesel flohen sofort vor dem furchtbaren Gebell. Der vierte setzte zu einem kurzen
     Galopp an und wandte sich plötzlich gegen den anstürmendenPudel. Da hörte das Bellen auf, und nach wenigen Sekunden raschelte es im Gras.
    »Bist du wieder da?«, fragte Großer-Tiger.
    »Warum kneifst du den Schwanz ein?«, fragte Christian.
    Der Pudel war sehr beschämt. Er schaute abwechselnd auf Christian und dann auf Großer-Tiger, aber als sie ihn tadelten und
     belehrende Worte wie »Siehst du wohl« und »Das hast du davon« sagten, tat er auf einmal, als ob nichts vorgefallen wäre. Er
     schlabberte ein wenig Wasser, obgleich es noch trüb war, und ging dann zum Zelt, wo Ungemach einen Nudelteig machte. Glück
     besann sich auf seine Würde. »Zur Mittagstunde reiten wir«, sagte er.
    Er ging um mit Gontschuk zwei Worte zu reden, aber Gontschuk kam ihm schon entgegen. Während sie sich auszogen und den Sand
     aus den Kleidern schüttelten, und während Christian und Großer-Tiger das Gleiche taten, sagte Glück so nebenbei: »Hast du
     eine Botschaft für mich?«
    »Ich habe eine«, sagte Gontschuk und leerte die Stiefel aus. »So sprich«, sagte Glück.
    »Mondschein lässt dich grüßen«, begann Gontschuk, »und Donnerkeil bittet seine jüngeren Brüder, freundlich an ihn zu denken.«
    »Seid ihr das?«, fragte Glück.
    »Es muss wohl so sein«, gab Christian verlegen zu.
    »Eine gewisse Verwandtschaft hat sich herausgestellt«, erklärte Großer-Tiger.
    »Na«, sagte Glück, »eure ehrenwerten Eltern werden sich freuen. Besonders dein Großvater wird entzückt sein.«
    »Ich hoffe auf seine Zustimmung«, sagte Großer-Tiger, »mein Großvater liebt die gewöhnlichen und die ungewöhnlichen Tugenden.«
    »Es sind sehr ungewöhnliche Tugenden«, versicherte Glück. »Da ich aber kein Sachwalter der Tugenden bin, enthalte ich mich
     des Urteils. Sprich weiter, Gontschuk.«
    Gontschuk zog die Stirn in Falten, damit der Sand herunterfiel, aber er hörte auf damit und sagte: »Du hast jetzt einen guten
     Weg vor dir. Zehn Li von hier im Norden gibt es einen Pfad, derwenig begangen ist. Ihr werdet also kaum einem Menschen begegnen, und so reist es sich angenehm. Hin und wieder gibt es sogar
     einen Brunnen.«
    »Ein ausgezeichneter Weg«, knurrte Glück.
    »Es ist ein Weg des Fastens und der Nachdenklichkeit«, setzte Gontschuk auseinander, »und die Pilger, die nach Lhasa reisen,
     benützen ihn gern. Nach fünf Tagen werdet ihr einen herrlichen Platz erreichen. Er heißt Ichen-Gol, der Große Fluss. Dort
     gibt es richtiges Gras und Bäume, einen Menschen, der wenig spricht und gutes Wasser.«
    »Wie heißt dieser Mensch?«, fragte Glück.
    »Wenn du es erlaubst«, antwortete Gontschuk, »ich weiß es nicht. Man nennt ihn Ohnezehen. Mehr ist mir nicht bekannt.« »Also
     ein Verbrecher«, sagte Glück.
    »Er war unvorsichtig«, gab Gontschuk zu, »da ist ihm das passiert.«
    »Immer besser«, brummte Glück, »es geschieht nicht oft, dass man feine Gesellschaft trifft. Gebt Acht«, wandte er sich an
     Großer-Tiger und Christian, »dass ihr nicht einen neuen Verwandten kriegt.«
    »Wir werden sehr zurückhaltend sein«, versprach Christian.
    »Wir werden nichts tun, was der befehlende Herr nicht für gut befindet«, versprach Großer-Tiger. Dann gingen sie ins Zelt,
     aßen die Nudeln, die Ungemach diesmal etwas dicker geschnitten hatte, und auch der Pudel bekam sein Teil. Zur Stunde des Schafs
     brachen sie auf. Die Sonne schien hell und warm. Kein Lüftchen regte sich, und die Felsbrocken lagen im Tal Namenlos, als
     ob sie schon immer

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