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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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Meinetwegen. Großer-Tiger und Christian war die Gemütslage
     Glücks einerlei. Sie waren fröhlich, als sie merkten, dass Ungemach sich freute. Sobald das Zelt aufgeschlagen war, ließen
     sie die Kamele frei. Der Pudel lief schweifwedelnd von einem zum andern, er trank Wasser aus dem Bach, aber zu der Hütte traute
     er sich nicht.
    »Kommt«, sagte Ungemach, »wir gehen jetzt.«
    »Vielleicht gibt es was zu essen«, sagte Christian ermunternd zu Glück, der auf einem Sattel vor dem Zelt saß und mit dem
     Daschior auf das Gras klopfte.
    »Ein Tag ist wie der andere«, seufzte Glück, »wenn ich wo hinkomme, treffe ich auf Gauner und Spitzbuben. Ich möchte wieder
     einmal ehrliche Menschen sehen.«
    »Der befehlende Herr möge uns betrachten«, sagte Großer-Tiger.
    »Euch?«, rief Glück, »ich sehe Räuberhauptleute vor mir.« Aber da musste er lachen, und Christian und Großer-Tiger fassten
     ihn unter die Arme und stellten ihn auf. Miteinander gingen sie zu der Hütte, und der Pudel begleitete sie bis zur Tür. Weiter
     ging er nicht.
    Ungemach trat als Erster ein. Die schwarze Brettertüre öffnete sich geräuschlos, und sie schloss sich wieder, als alle drinnen
     waren. Das kam von einer dicken Eisenkugel, die an einem Seil hing, das kunstreich über zwei Holzrollen lief und den Zug der
     Kugel an die Türe weitergab. Die Kugel hing wie eine Lampe mitten unter dem Dach. Eine Zimmerdecke gab es nicht. Man sah die
     verräucherten Dachsparren, die darüber gebreiteten Zweige, Stroh und Lehm. In der Ecke gegenüber der Tür war die Feuerstelle.
     Ein eisernes Dreibein stand da wie in allen Zelten, aber darüber war ein Kamin, durch den der Rauch abzog. Nach der Feuerstelle
     kam ein freier Raum mit glattgestampftem Lehmboden, eine Truhe stand in der Mitte, und dahinter erhob sich der Kang, auf dem
     eine Strohmatte lag und ein Mensch in blauer Hose mit einer blauen Jacke. Er trug einen angegrauten Zopf und unter der kräftigen
     Nase einen schütteren Hängebart. Er mochte fünfzig Jahre alt sein, und er sah aus wie ein biederer Landmann.
    »Wir wünschen Ruhe«, begann Ungemach.
    »Wir wünschen Behaglichkeit«, sagten Großer-Tiger und Christian.
    Glück verneigte sich stumm.
    Der Mann kletterte umständlich vom Kang herunter. Man merkte gleich, dass er nicht gut zu Fuß war. Er griff nach einem Stock,
     und dann ging er eilfertig auf die Feuerstelle zu. Mitten im Zimmer drehte er sich um und lud seine Gäste durch eine Verbeugung
     und mit ausgebreiteten Armen ein, auf dem Kang Platz zu nehmen.
    »Nach dir«, knurrte Glück.
    »Wie könnten wir es wagen«, sagte Ungemach höflich.
    »Keinen Unsinn«, rief der Mann, »nehmt Platz.«
    Er wartete auch gar nicht, ob jemand seiner Einladung folge, sondern wandte sich dem Teekessel zu, der in einem Häufchen heißer
     Asche neben dem Dreibein stand. Als er mit dem Kessel wieder kam, waren Christian und Großer-Tiger folgsam auf den Kang geklettert,
     und Glück saß neben Ungemach am Rand und stützte die Beine auf die Truhe.
    Nacheinander holte der Mann einen eisernen Untersatz für die Teekanne und aus der Truhe bemalte Porzellantassen und Schälchen
     mit Melonen und Sonnenblumenkernen. Es ging zu wie in der feinsten Gastwirtschaft. Ungemach blinzelte vergnügt. Er schien
     nichts anderes erwartet zu haben.
    »Unterhaltet euch nur«, sagte der Mann, »ich höre gern zu.«
    Ungemach begann vorzustellen. »Mein elender Name«, sagte er, und dabei knackte er Sonnenblumenschalen, »ist Ungemach. Ungemach
     verdient keiner Erwähnung. Nehmt an, verehrter Onkel, dass ich bis jetzt kein Wort gesagt habe. Hier sind die nichtsnutzigen
     Bengel Kompass-Berg und Großer-Tiger, die man am besten sofort vergisst, und neben mir sitzt der vom Unglück verfolgte Herr
     Glück.«
    »Aus Sutschou?«, fragte der Mann mit der blauen Jacke und drehte den Kopf so rasch, dass der Zopf flog.
    »Aus Sutschou«, sagte Glück, »wundert dich das?«
    »Es wundert mich nicht«, antwortete der Mann. Er widmete sich einem walzenförmigen Kupferkessel, den er von einem Haken an
     der Wand nahm und von unten her mit glühender Holzkohle füllte.
    »Ist es mir gestattet«, sagte Ungemach, »nach deinem ehrenwerten Namen zu fragen?«
    »Nein«, erwiderte der Mann grob, »nennt mich Ohnezehen, wie alle Leute mich nennen. Es macht mir nichts aus.«
    »Uns auch nicht«, sagte Ungemach heiter. »Namen taugen sowieso nicht. Das hat sich in tausend mal tausend Jahren herausgestellt.
     Jeder weiß es.

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