Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
Vom Netzwerk:
machen. Kannst du damit umgehen?«, fragte er und
     klopfte auf die Pistolentasche.
    »Nein«, rief Großer-Tiger erschrocken, »bitte, ich nicht. Ich bedaure sehr.«
    »Wie steht es mit dir?«, fragte Glück.
    »Nicht sehr gut«, bekannte Christian. »Man muss auf den Abzug drücken, damit es knallt. Mehr weiß ich nicht davon.«
    »Das genügt«, sagte Glück. »Sieh, diesen Hebel, den musst du vorher beiseite schieben, sonst tut es nicht. Aber nur wenn es
     pressiert.
    »Ich werde vorher nicht daran rühren«, versprach Christian.
    »Und aufpassen müsst ihr darauf«, sagte Glück, »es wird gut sein, wenn immer nur einer von euch schläft und der andere bleibt
     wach. Ihr habt«, sagte Glück, »ganz gute Anlagen zum ehrenwerten Handwerk. Jetzt müsst ihr die Ausdauer dazu lernen.«
    Während er weiter väterliche Ermahnungen gab, kürzte er den Tragriemen der Pistolentasche, und dann hing er sie Christian
     um. Die Pistole lag schwer darin, der Kolbenhals schaute ein wenig heraus, und an dem Ring baumelte die rote Seidentroddel
     mit den geflochtenen Schnüren. Sie fielen Christian bis fast in die Kniekehlen. Glück betrachtete sein Werk und hieß Christian
     ein paar Schritte gehen.
    »Schießen«, sagte er plötzlich besorgt, »ich meine wirklich und wahrhaftig schießen, verstehst du, Kompass-Berg, so ganz im
     Ernst, nämlich, dass es kracht   …«
    »Ich weiß«, unterbrach ihn Christian höflich, »dass man nicht schießt. Schießen ist unfair.«
    »Was ist es?«, fragte Glück.
    »Kompass-Berg meint«, erläuterte Großer-Tiger, »dass man nicht schießt, weil man einen Mund zum Reden hat.«
    »Ich sehe, ihr habt mich verstanden«, schloss Glück befriedigt. »Selbstverständlich gibt es Ausnahmen, zum Beispiel meinen
     Onkel, den könnt ihr ruhig   …; ich meine, da macht es nicht viel aus, wenn so einer aus der Welt geht. Aber bei andern Leuten hat man Unannehmlichkeiten.«
    Glück stand auf.
    »Ich bin nicht für Feierlichkeiten«, sagte er, »doch jetzt sollt ihr mir versprechen, dass ihr auf euch achtet und so handelt,
     als ob ich dabei wäre.«
    Großer-Tiger bat ihn, an Stelle einer ordentlichen Estrade auf die Truhe zu steigen, aber Glück schlug es rundweg ab.
    »Wir bitten den befehlenden Herrn, von erhöhter Stelle unser Versprechen entgegenzunehmen«, beharrte Großer-Tiger.
    »Ihr seid wie Vater und Mutter«, sagte Christian, »da gehört es sich so.«
    Glück gab nach. »Nur weil ihr es so haben wollt«, sagte Glück, und er stieg auf die Truhe. Da neigten Christian und Großer-Tigerdie Knie zum Fußfall kindlichen Gehorsams, und es war sehr feierlich.
    Als sie aufstanden, wollte Glück von der Truhe steigen, aber er kam nicht dazu, denn Ungemach trat zur Tür herein. Die eiserne
     Kugel senkte sich wie ein Kronleuchter, und es gab einen entsetzlichen dumpfen Schlag.
    »Seid ihr fertig?«, rief Ungemach.
    »Ha!«, schrie Glück, aber dann wurde er bleich und musste sich setzen. Es war gut, dass Glück die Mütze aufgehabt hatte und
     dass der Kang gleich hinter der Truhe anfing. So gab es keine Schwierigkeiten für einen, der ohnmächtig werden oder sich bloß
     ein bisschen setzen wollte.
    »Es gibt Halunken«, stöhnte Glück, »ich wusste nicht, dass du auch einer bist.«
    Ungemach war sehr betroffen.
    »Es geht vorüber«, versuchte er zu trösten, »es wird gleich wieder gut sein. Nur keine Ohnmacht, wir brauchen dich nämlich.«
     »Wozu?«, fragte Glück schwach.
    »Dein Onkel möchte sich von dir verabschieden; er sitzt schon auf dem Pferd.«
    Glück schrie laut: »Er soll zum Teufel reiten!«
    »Gleich«, versprach Ungemach, »nur noch eine Kleinigkeit.« Und er zog hinter Glück einen weißen Fellmantel vom Kang, auf den
     Glück sich gerade zurücklegen wollte.
    »Ich bitte um weitherzige Vergebung«, rief Ungemach, und weil nichts anderes zur Hand war, zog er seinen Rock aus und schob
     ihn Glück unter das dröhnende Haupt.
    »Kommt«, flüsterte Ungemach, »es eilt.«
    »Wir gehen«, sagte Großer-Tiger, »und wir wünschen dem befehlenden Herrn schleunige Befreiung von Kranksein.«
    »Ich bin nicht krank«, seufzte Glück, »es geht mir nur nicht besonders gut.«
    »Wann wird uns der Himmel wieder beisammen sehen?«
    »In zehn Tagen«, antwortete Großer-Tiger aufs Geratewohl.
    »Es könnten auch elf sein«, meinte Christian.
    »Also zwölf«, sagte Ungemach abschließend. »Nimm diesen Mantel, Großer-Tiger, er gehört dir. Er ist eine Kleinigkeit zulang und etwas zu

Weitere Kostenlose Bücher