Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
Vom Netzwerk:
zuckte die Achseln. Das sei ihm unbekannt, sagte er, und er habe einen Mongolen gefragt, den er kenne, aber auch der
     habe es nicht gewusst.
    Der Lama fluchte zwischen den Zähnen. Dann rief er mit einem Trauerbass, der die ganze Jurte füllte: »Himmel und Erde kommen
     zusammen, aber das Wasser auf dem Berg findet man nicht. Ich habe zehn Pferde zuschanden geritten, damit meine Augen den König
     der Sunit sehen, und nun ist er ›ich weiß nicht wo‹.«
    »Was hat er?«, fragte Christian.
    »Warum grölt er so traurig?«, fragte Großer-Tiger.
    »Das kommt«, erklärte ihnen Glück, »weil er nicht weiß, wo er den Sunit-Wang finden soll.«
    Christian schaute Großer-Tiger an, und Großer-Tiger merkte, dass er reden sollte, wenn er es für gut hielte.
    »Gestern«, begann Großer-Tiger langsam, »haben wir geglaubt, es sei ein Geheimnis; aber vielleicht ist es gar keines, und
     man kann es sagen.«
    »Man kann es sagen«, bestätigte Christian.
    »Wovon redet ihr da?«, fragte Glück, der wieder nicht mitkam.
    »Wir sprechen von einem Geheimnis, das kein Geheimnis ist, und darum kann man es ruhig sagen«, erklärte Christian.
    »Unsinn!«, rief Grünmantel ärgerlich; aber dann besann er sich geschwind und fing an, schmierig zu lächeln.
    »Du da«, fragte der Lama und streckte den Zeigefinger nach ihm aus, »welch Mensch sein etwa du?«
    Grünmantel tat, als habe er nicht verstanden, schob den letzten Bissen Fleisch in den Mund, und Großer-Tiger sagte: »Der Westliche
     Sunit-König ist gestern Abend mit seinem Vetter zum Kloster Belin-Sum und zum heiligen Mann Jolleros-Lama geritten.«
    »Woher weißt du das?«, wollte Glück fragen, aber der Lama ließ ihn nicht aussprechen. »Du sagen, Sunit-Wang in Belin-Sum«,
     rief er aufgeregt; »das Wahrheit etwa ganz wahrhaftige?«
    »Mein Freund Großer-Tiger«, sagte Christian überzeugend, »hat noch nie eine Lüge losgelassen.«
    »Du kleiner Fremder«, rief der Lama und zeigte wieder mit dem Zeigefinger, »welch Name etwa?«
    »Ich heiße Kompass-Berg.«
    »Das gut. Alles wissen jetzt Dordschi.« Dabei deutete er auf sich und grinste freundlich.
    »Ene ju beino?«, fragte Großer-Tiger.
    Der Lama fiel von einem Staunen ins andere. »Warum«, rief er donnernd, »hast du nicht gleich gesagt, dass du mongolisch sprichst
     wie zehn Mongolen-Menschen? Mein Name ist Dordschi, wenigstens nennt man mich so. Das ist freilich ein tibetischer Name, und
     du kannst nicht wissen, dass er Donnerkeil bedeutet. Aber du solltest aufrichtig zu Donnerkeil sein, der dein Freund ist.«
    »Entschuldige, Dordschi-Lama«, sagte Glück besänftigend, »dieser junge Mensch kann nur ›Ene ju beino‹ sagen, mehr kann er
     nicht.«
    »Wenn das so ist«, brummte Donnerkeil, »will ich nichts gesagt haben, wenigstens nichts Beleidigendes.« Er schob die drei
     Schafkäse in den Gürtel, aß einige Honigbrotwürfel und rüstetesich zum Aufstehen. Um alles wiedergutzumachen, wandte er sich noch einmal schnaubend an Großer-Tiger: »Du ›Ene ju beino‹
     sagen vortrefflich; wer dir etwa lernen das?«
    »Ein Mann«, sagte Großer-Tiger.
    »Mondschein«, platzte Christian heraus.
    »Ha!«, brüllte Lama Donnerkeil entzückt, »kleiner Mensch aus Land der Außenseite, du mir großes Licht anzünden. Du auch mein
     Freund. Wo Mondschein steckt etwa?«
    »Mondschein«, sagte Glück, »ist mit dem Herzog von Hanta und mit den Männern von Sunit auf der Wolfsjagd. Heute früh waren
     sie beim Kloster Orte-Golen-Sum, doch jetzt sind sie nicht mehr dort, weil die Jagd bis zum Gelben-Hügelriss und weiter zieht.«
    »Es ist wunderbar, dass ich euch traf«, rief Donnerkeil, »ich muss nur noch eines wissen: Ist Mondschein ganz, oder fehlt
     ihm ein Stück? Ein Stück Arm, meine ich, eine Hand oder so was?«
    »Mondschein ist ganz«, sagte Glück, »die Gehirntasche war entzwei, aber man hat sie geflickt.«
    »Großen Dank! Alles hat sich zum Guten gewendet«, sprach Donnerkeil gerührt; »mein Mondschein, mein Pfötchen, ich werde dich
     wiedersehen!«
    Er stand auf, presste die Fäuste zum Gruß zusammen, dass die Finger knackten, und rief dröhnend: »Jabonah!«
    »Jabonah!«, rief Glück und stand ebenfalls auf.
    Dascha beeilte sich, als erster draußen zu sein. Während die Übrigen nacheinander die Jurte verließen, hielt Christian Großer-Tiger
     am Rockzipfel fest. »Warum hast du den Ring vom Finger genommen?«, flüsterte er. Großer-Tiger zögerte mit der Antwort. »Es
     war mir so«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher