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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Zeigefinger auf Marco unten in seinem Loch –, »der gerade mal vor einer knappen Woche aufgekreuzt ist, um mir auszurichten, ich soll verschwinden? Nein, ich sag dir was, ich geh nirgendwohin, nicht mal, wenn Norm selber an meiner Tür klopft, und weißt du auch, warum, ich sag dir, warum ...«
    An dieser Stelle hörte Marco mit dem Zuhören auf. Er dachte an einen Hund, den sein Onkel einmal gehabt hatte, mit einem braunen und einem blauen Auge, der wohl wildeste Kanide, der je gezähmt worden war, jedenfalls wie kein anderer Hund, den Marco je gesehen hatte. Er wollte nicht jagen oder Bällchen fangen oder Tricks lernen oder im Auto mitfahren, er winselte nicht oder leckte einem die Hand, er bettelte nicht am Tisch, und wenn er sich in Gesellschaft anderer Hunde fand, im Park oder auf dem abgetretenen Rasen hinter der Schule, dann reagierte er fast gar nicht auf sie, hob kaum je das Bein oder nahm wenigstens der Form halber mal die Witterung auf. Doch kam ihm ein anderer Hund zu nahe, vielleicht noch mit einem rasselnden Knurren oder vorgeschobenen Schultern, dann explodierte das Vieh – ohne Vorwarnung, so jäh und absolut, daß man gar nicht sicher sein konnte, es wirklich gesehen zu haben. Der andere Hund, egal, wie groß, endete unweigerlich auf dem Rücken, und der Husky seines Onkels – Lobo , so hatte er geheißen – schlug ihm die Fangzähne in die Kehle.
    Zweimal innerhalb von sechzig Sekunden hatte man Marco mitten ins Gesicht einen Wichser genannt, und das war zweimal zuviel. Ehe noch Bruce den Rest seines Anliegens ventilieren konnte, in seiner hohen, nasalen, quengligen Stimme, die in Ton und Farbe vollkommen zum Blues paßte – und kein Zweifel, der Junge konnte singen –, packte Marco seinen linken Fuß und zog ihn unter ihm weg. Im nächsten Augenblick landete Sky Dog unsanft auf dem Rand des Grabens, noch einen Augenblick später lag er spuckend und tobend unten drin, und Marco beobachtete sich mit der ruhigsten Gelassenheit der Welt dabei, wie seine rechte Faust vor und zurück sauste wie ein Kolben, während er daranging, die Visage dieses speziellen Freaks auf denkbar unbrüderliche Weise umzugestalten.
    Falls er gedacht hatte, damit irgend etwas zu beenden, irrte er sich, und er hätte es auch besser wissen sollen, hätte besser überlegen und sich seine besten Chancen ausrechnen können, aber das hatte jetzt alles keine Bedeutung. Von Bedeutung war nur Dewey, der ihm den Oberarm um die Kehle legte und seinen Kopf nach hinten riß, als würde er sich einen Basketball schnappen; und von Bedeutung war auch Lester mit seinem leicht gedunsenen Gesicht und den Plateaustiefeln und dem breitkrempigen Zuhälterhut samt blinkendem Silberkettchen, der sich auf dem Erdhügel aufpflanzte und Marco zwei sauber getanzte Tritte in den Bauch setzte, während Marco gegen den Würgegriff an seiner Kehle ankämpfte und Sky Dog – Bruce! – sich aus dem Graben rappelte, mit beiden Fäusten ausholend. Es vergingen zehn Sekunden, zwanzig, in denen alle auf Marco losschlugen, der in Deweys hartem Griff fixiert war wie eine Strohpuppe, bis Alfredo brüllte: »Schluß damit! Schluß damit! Kommt schon, Leute, Schluß damit! «
    Marco gab sich keinen Illusionen hin. Es war Kraft gegen Kraft, es war das, was er wollte, gegen das, was sie wollten, und was er wollte, das war nichts Geringeres als Drop City. Er wand sich, trat mit den Füßen aus, versuchte Sky Dog zu treffen, und kämpfte gegen den Arm, der seine Kehle einschnürte. Es war ein richtiger Tanz. Ein zuckender, schlängelnder und letztlich nutzloser Tanz, vom dumpf-feuchten Klatschen der Treffer punktiert. Sky Dog schlug unachtsam, er war den Tränen nahe, aber Dewey war aus gehärtetem Stahl, und Lester steigerte seine Tritte ständig, traf immer besser, als würde er eine Leiter erklettern. »Du Ficker«, wiederholte er immer wieder, leise und beinahe zärtlich, als verwechselte er Tat und Benennung, »du kleiner Ficker!«
    Es hätte auch noch länger gehen können, denn diesmal war es anders als sonst, Blut auf Blut, das Messer in der Scheide, die Scheide am Gürtel, das feuchte Klatschen von Fleisch auf Fleisch, wenn nicht die Touristen gewesen wären. Es waren zwei – ein Ehepaar, Bluejeans und Leder, Peace-Amulette aus Bronze, und sie waren am Vorabend eingetrudelt, um zu sehen, wie die Gegenkultur so lebte, vielleicht würden sie einen Essay oder ein Buch drüber schreiben, über freie Liebe und Frieden, Haferflocken, Ziegenmilch und Marihuana

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