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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Im Fluß gab’s Fische und Wild in den Wäldern, und was machte es schon aus, daß gerade Schonzeit war und daß er mit einem Kitz angekommen war, das ausgenommen kaum vierzig Kilo wog? Es war Fleisch, kostenlos, und es würde für alle auf der Ranch mindestens eine Woche reichen. Erwarteten die denn wirklich, daß man immer nur Sojafrikadellen und überbackene Auberginen runterwürgte? Falafel? Und Tofu-Kebab ? Scheiße, Mann, sie hätten ihm eine Medaille verleihen sollen.
    Tatsächlich verbrachte er den restlichen Nachmittag damit, das Vieh zu häuten und zu zerlegen, eine glitschige und eklige Arbeit, kein Zweifel, und der einzige, der ihm dabei zur Hand ging, war Marco, denn Marco wußte, was genau zurück zur Natur hieß – der ging schon Angeln und Jagen, seit er acht Jahre alt war: Wachteln, Hasen, Eichhörnchen, Entenansitz an einem eisigen Frühmorgen oder stundenlang bis zur Hüfte in einem Bach stehen, dessen Fluten an einem vorbeischossen wie ein Güterzug, und nichts als zwei kümmerliche Babyforellen zum Herzeigen, so daß man nur hoffen konnte, daß die Mutter einen Hackbraten im Rohr hatte. Er hatte das alles erlebt. Genau wie Ronnie damals. Wie Pan . Während also Che und Sunshine in der Nase popelten und ihnen staunend zusahen und die halbe Kommune alles fallen ließ, um vorbeizuschneien und ein bißchen zu meckern, zu kiebitzen und sich vorzustellen, wie ein paar hübsche Rehsteaks brutzelnd auf einem Holzkohlengrill aussehen könnten, zerrte Ronnie in einem dichten Fliegenschwarm die Decke des Rehs in die Höhe – er würde sich eine Wildlederjoppe daraus nähen, vielleicht mit ein paar Fransen dran –, und Marco beugte sich vor, um mit der geschmeidigen Schneide seines Jagdmessers die dünne Faszienschicht zu durchtrennen, die die Muskelfasern umschloß.
    »Was ist mit deinem Gesicht passiert?« fragte Ronnie irgendwann, die Hände tief in Blut getaucht, hinter sich die Sonne, die in den Bäumen waberte wie ein neues Kinderspielzeug aus Japan. Ihm hing die Kippe eines Grasjoints von der Unterlippe; auf dem harten gelben Gras neben ihm stand eine große Flasche Bier, die mit blutigen Fingerabdrücken übersät war. Es war schon spät am Nachmittag, und die heranwehenden Küchengerüche hatten etwas eindeutig Vegetarisches an sich.
    Marco sah auf und grinste, aber es war eher ein schiefes Floyd-Patterson-Grinsen. Sein linkes Auge war dick wie eine Bratwurst in der Pfanne, eine überkrustete Platzwunde verschwand darunter im Bart. »Kleine Meinungsverschiedenheit«, sagte er, und das genügte, da Ronnie nicht im geringsten scharf war auf eine finstere Story über die Schwarzen und Sky Dog und die Frage, wer im hinteren Haus in der vorvorigen Nacht was mit wem angestellt hatte.
    Die beiden säbelten also drauflos, erst auf der einen Seite, dann auf der anderen, und bald konnten sie die Haut vom Fleisch abziehen wie einen feuchten Teppich, aber mußte man sie nicht einsalzen oder mit irgendeiner Lauge behandeln oder so? Und um sie zu Leder zu verarbeiten, mußte man nicht erst mal das Fell entfernen? Das allerdings wäre ein irrsinniger Schlauch, eine Aufgabe für einen Lebenslänglichen ... Solche Dinge gingen Ronnie im Kopf herum, während ihn fette Schmeißfliegen belagerten und die Stimme von Tracy Nelson sich laut und klar vom großen Haus her über den Alltagslärm erhob. Sie standen hinter dem Pool auf einer versengten Grasnarbe, und sie hatten den Kadaver an einem Ast aufgehängt, um ihn ausbluten zu lassen, aber nur eine Stunde lang – sie hatten beide kein gutes Gefühl wegen der Hitze, denn wer hatte schon jemals mitten im Sommer ein Reh geschossen? Kein Mensch. Bis auf Pan. Ja, und da hing es also, in Fleisch und Blut. Am Morgen noch war es kreuzfidel unten am Fluß im Schlamm herumgetrampelt und hatte zarte Schößlinge von diesem und jenem schnabuliert, auf seinem ureigenen Trip, und jetzt war es tot, jetzt gehörte es ihm.
    Pan kostete das Gefühl aus – den Joint, das Bier, den reinen, unaufhaltsam fließenden Schwall des Triumphs: sein Reh , sein erstes Reh! –, und er fing an, mit Tracy Nelson mitzusingen: When it all comes down, you got to go back to Mother Earth . Oh, yeah. Lauthals sang er mit, kein Grund zur Schüchternheit, schließlich hatten ihm ja alle gesagt, er habe eine gute Stimme, und man konnte sich beim Singen ja sowieso nicht zurückhalten, ebensowenig wie wenn man versuchte, Französisch zu reden – oder wenn man auf einem Zehn-Gänge-Fahrrad mit einer

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