Grün war die Hoffnung
Chemieunterricht produziert hatte, machte sich in seinem Gehirn breit, und er stürmte aus dem Zimmer, quer durch das Haus – aufgeregte Mienen: huch, das ist ja Pan, was hat er’s denn so eilig? – und raus über den versengten Rasen und rein in das nächste Gebüsch. Und dann konnte er sich endlich hinhocken, kein Gedanke an Rieselfelder oder verstopfte Klos oder Luxustoiletten, und in einem wüsten, unbeherrschbaren Schwall schoß alles aus ihm heraus.
Er dachte, er würde sich im Laufe des Tages besser fühlen, aber da irrte er. Sein Kopf raste, und in seinen Eingeweiden rumorte es weiter. Und obwohl er sich nur langsam und bedächtig durch einen Teller Reispampe arbeitete, Korn für Korn, ging sogar diese Mahlzeit ohne Umweg durch ihn hindurch. Schließlich verbrachte er den Spätnachmittag und den Abend am schwappenden grünen Teppich des Pools und verweigerte jegliches Gespräch sowie Einladungen zum Essen (von Merry), Vögeln (von Lydia) oder Inhalieren von Rauschmitteln (von einem halben Dutzend Leute, sowohl Männer wie Frauen). Dann und wann, wenn die Sonne auf ihn niederhämmerte, planschte er lethargisch im Schwimmbecken, aber selbst das ließ seine Kopfschmerzen pulsieren und krampfte ihm die Gedärme zusammen, deshalb kam er die ganze Zeit nicht richtig hoch, bis die Jalousien sich über dem Tag schlossen und die Dämmerung nahte, um in den Bäumen zu hocken wie ein Geier. Ronnie genehmigte sich ein paar Schluck von dem Tequila (Don Ricardo especial reposado), den er unter dem Autositz versteckt hielt, und wanderte über den Rasen, um die Überreste seines Rehs zu inspizieren. Kein Mensch war in der Nähe, und das Feuer, das er und Marco aufgebaut hatten – das Feuer zum Räuchern, nicht das für den Grill, denn irgendwie mußte das Fleisch ja konserviert werden –, war nicht einmal warm, nur ein Kreis aus weißer Asche mit dunklen Kohlenresten darin. Das Reh – die minderwertigen Fleischstücke, die sie gestern in der Hektik gar nicht mehr beachtet hatten – baumelte von einem dünnen Draht wie die Indizien einer irrwitzigen Lynchjustizorgie, der Kopf in bizarrem Winkel abgebogen, das Rückgrat ein blauschwarzer Knochenstreifen. Während er erst gepennt und dann am Pool herumgelegen hatte wie ein Bauchschußopfer, war das tote Tier von den Fliegen zur Spielwiese erkoren worden, aber es betraf ihn nicht im mindesten. Er gab sich nicht einmal die Mühe, die Hand zu heben und sie zu verscheuchen. Und das Fleisch – das Reh, sein großer Triumph – begann bereits zu stinken.
Teil II
THIRTYMILE RIVER
Das Weib hat nicht Macht über ihren eigenen Leib,
sondern der Mann, desgleichen hat der Mann nicht
Macht über seinen eigenen Leib, sondern das Weib.
1. Brief des Paulus an die Korinther, 7, 4
7
Cecil Harder stärkte sich an der Theke des Three Pup Roadhouse, einen knappen Kilometer hinter Boynton auf der Straße nach Fairbanks. Er war bei seinem dritten Oly und beim zweiten Wild Turkey, und in etwa drei Minuten würde er durch die Fliegendrahttür hinausstapfen, sich in Richard Schraders Pickup schmeißen und die restlichen zweihundertneunundfünfzig Kilometer in die Stadt fahren. Er brauchte ein paar Sachen für sein Blockhaus – einen neuen Griff für die Axt, Isolierband, Petroleum für die Lampen, Reis, Gewehrpatronen, Bohnen, Hefe, Zucker –, und Richard hatte ihm auch eine längere Liste mitgegeben, aber das alles war nicht der Grund für seinen Abstecher in die Großstadt.
Er hob den Kopf von den Händen und sah sich um. Die Luft in der Kneipe war dicht wie eine Wand aus abgestandener Finsternis, auf die das Sonnenlicht in zwei dünnen Streifen aus Staub genagelt zu sein schien. Moskitos tauchten auf und verschwanden, alles andere als regungslos, warfen sich gegen beide Seiten der Fensterscheiben wie in einer Art Wettbewerb. Er kippte sich den Wild Turkey rein und nahm einen langen Schluck von seinem Bier.
Eine neue Frau arbeitete in der Kneipe, eine Sommerjobberin, eine Touristin, mager und ausdruckslos wie ein Gefängniswärter – und zwar ein männlicher Wärter aus einem Film mit Jimmy Cagney –, sie kam gerade hinter dem Perlenvorhang hervor, der die Grillküche vor neugierigen Blicken schützte, in der Hand sein Schinken-Käse-Sandwich, eingewickelt in ein Blatt Wachspapier. Sie hieß Lynette, war Mitte Fünfzig, und es mußte wohl eine lange kalte Nacht in einem langen kalten Winter kommen, bis jemand sie zweimal ansah. Am anderen Ende saß Skid Denton. Sess kannte ihn
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