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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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ungeduldige Handbewegung. »Das kommt schon noch, lassen Sie mich erstmal ausreden. Nur, damit eins
     klar ist: wir beide, wir haben schon damals zueinander gepaßt, und es gab sogar ein paar Zärtlichkeiten, oder wie Sies nennen
     wollen, die für einen vierzigjährigen Mann, der mit ner Siebenundzwanzigjährigen zusammen ist, ziemlich rührend sind. Blumen
     natürlich, und zweimal ein Kuß auf den Unterarm, und das Sensationelle: er hat sogar in nem Hotel in Hamburg mal ne halbe
     Nacht mit mir getanzt; das paßte gar nicht zu ihm. Ist Ihnen noch nicht aufgefallen, daß ›große Männer‹ immer schlechte Tänzer
     sind? Nun, ich bin ne ziemlich spröde Frau mit anderen Männern als mit meinem eigenen, und ich habe ne verfluchte Eigenschaft,
     die ich lange nicht los wurde: ich bin treu. Es ist wie ein Fluch. Kein Verdienst, eher ne Schande – was denken Sie, wie ich
     dagelegen habe, nachts allein in meinem Bett, wenn die Kinder schliefen, nachdem sie meinen Wilhelm, meinen Mann, für diesen
     Stöz da bei Amiens haben fallen lassen? Und nicht einer, nicht einer hat mich bis 45 berühren dürfen – und das alles gegen
     meine Überzeugung, denn ich halte gar nichts von Keuschheit und so, und es waren ja 45 fünf Jahre vergangen, ja, da sind wir
     beide, er und ich zusammengezogen. Und nun also meinetwegen über Leni und Erhard: ich sagte Ihnen ja wohl schon, daß man sich
     von der Schüchternheit dieses Erhard keine Vorstellung machen kann – und übrigens von Lenis Schüchternheit auch nicht, damit
     Sies wissen. Er hat sie angebetet vom ersten Augenblick an, für ihn war sie wohl ne geheimnisvoll wiedererstandene florentinische
     Bionda oder so was, und nicht mal Lenis extrem |102| trockene rheinische Mundart, nicht mal ihre geradezu supertrockene Art, sich auszudrücken, konnte ihn ernüchtern. Es war ihm
     auch gleichgültig, daß sie sich als in seinem Sinn total ungebildet erwies und das bißchen Sekretionsmystizismus, das sie
     im Kopf hatte und hat, hätte ihm wohl nicht sonderlich imponiert, wenn sies ausgepackt hätte. Nun, was haben wir alles getan,
     wir – damit meine ich Heinrich, Margret und mich –, damit es zwischen den beiden zum Klappen kam. Sie müssen bedenken, viel
     Zeit war ja nicht: zwischen Mai 39 und April 40 war er vielleicht im ganzen achtmal da. Natürlich wurde da nichts zwischen
     Heinrich und mir ausgesprochen, nur augengezwinkert wurde, weil wir doch sahen, wie verliebt die beiden ineinander waren.
     Es war schon süß, ja, ich sags nochmal, süß wars, die beiden zu sehen, und vielleicht ist an der Tatsache, daß sie nicht miteinander
     gepennt haben, gar nicht so viel zu beklagen. Ich habe Kinobilletts besorgt, für so Scheißfilme wie ›Kameraden auf See‹ oder
     sonen Idiotenkram wie ›Achtung, Feind hört mit‹, und sogar in diesen ›Bismarck‹-Film hab ich sie geschickt, weil ich dachte:
     verflucht, das Programm dauert drei Stunden, und es ist ja dunkel und warm da wie im Mutterleib, und gewiß halten sie Händchen,
     und vielleicht kommen sie auch mal auf die Idee (sehr bittres Lachen! Anmerk. des Verf.), sich mal ein Küßchen zu geben, und
     wenn sie erst so weit sind – dann wirds wohl weitergehen – aber nichts, offenbar nichts. Ins Museum ist er mit ihr gegangen
     und hat ihr erklärt, wie man Boschs nur zugeschriebenes Gemälde von einem echten Bosch unterscheidet, er hat versucht, sie
     von ihrem Schubert-Geklimpere auf Mozart zu bringen, er hat ihr Gedichte zu lesen gegeben, Rilke wahrscheinlich, ich weiß
     das nicht mehr genau, und dann hat er etwas getan, was gefunkt hat: er hat Gedichte auf sie geschrieben und ihr geschickt.
     Nun, die Leni war ein so entzückendes Geschöpf – sie ist |103| es noch, wenn Sie mich fragen, daß ich selbst ein bißchen in sie verliebt war: wenn Sie zum Beispiel hätten sehen können,
     wie sie mit diesem Erhard tanzte, wenn wir mal zusammen ausgingen, mein Mann, ich, Heinrich, Margret und die beiden – da wünschte
     man sich einfach für diese beiden ein bereitstehendes Himmelbett, in dem sie aneinander hätten sich freuen können –, dann
     schrieb er ihr also Gedichte, und was das ganz Erstaunliche ist: sie zeigte sie mir, obwohl sie ziemlich – ich muß schon sagen
     – kühn waren; er bedichtete nämlich ziemlich unverblümt ihre Brust, die er ›die große weiße Blume der Verschwiegenheit‹ nannte
     und von der er behauptete, er würde sie ›entblättern‹, und er schrieb ein wirklich gutes

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