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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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und Tee, Tee trinkend – wo doch Leni Tee nie gemocht hat, aber mit ihm |108| trank sie ihn, und er beklagte sich nicht gerade übers Militär, zeigte aber seinen Ekel und seine Abneigung so offen, daß
     sie ihm ihre Hand auf den Arm legte, um ihn zu trösten, und man konnte ihm doch ansehen, daß diese Berührung allein eine wahre
     Revolution seiner Sinne hervorrief oder seiner Sensibilität, wenn Sie wollen. Es gab ja Augenblicke genug, wo er die Chance
     gehabt hat, sie ganz und gar zu erobern, sie war, sie stand – und wenn Sie mir nen ziemlich groben Ausdruck gestatten wollen
     –, sie lag bereit da, für ihn bereit, und wenn ich schon drüber reden soll, nur Leni wurde ein bißchen ungeduldig, ja, ja, ungeduldig
     – auch biologisch ungeduldig; nicht gereizt, nein, nicht böse mit ihm –, und wenn er mal wenigstens zwei oder drei Tage hintereinander
     hätte dasein können, nun, dann wärs wohl anders gekommen. Ich bin ja ne alte Jungfer geblieben und habe keine direkte Erfahrung
     mit Männern, aber beobachtet habe ich sie doch ziemlich genau, und ich frage Sie, was ist das für eine Lage, wenn ein Mann
     da ankommt mit der Rückfahrkarte in der Tasche, immer den Fahrplan im Kopf und das Kasernentor, durch das er zu einer vorbestimmten
     Stunde durchgehen muß, oder die Frontleitstelle. Ich sage Ihnen – und das sage ich alte Jungfer, die das im Ersten Weltkrieg
     als junges Mädchen und im Zweiten als wachsame Frau mitgekriegt hat: Urlaub ist ne fürchterliche Sache für nen Mann und für
     ne Frau. Jeder weiß doch, wenn der Mann in Urlaub kommt, was die beiden dann vorhaben – das ist ja jedesmal fast wie ne öffentliche
     Hochzeitsnacht –, und die Leute, jedenfalls bei uns im Dorf nicht und auch nicht in der Stadt, sind ja nicht sehr zartfühlend
     und machen Anspielungen – das war bei Lottes Wilhelm so, daß er immer ganz rot wurde, er war eben ein sehr zartfühlender Mensch,
     und glauben Sie, ich hätte vielleicht nicht gewußt, was fällig war, wenn mein Vater im Krieg Urlaub bekam – und der Erhard,
     der hätte eben ein bißchen Zeit gebraucht, Leni zu erobern – |109| wie sollte er das machen, immer zwischen Tür und Angel, und einfach draufgehen, das konnte er eben nicht. Seine Gedichte,
     die waren doch deutlich genug, fast schon zudringlich. ›Du bist die Erde, zu der ich einmal werde‹– kann man denn deutlicher
     werden? Nein, was ihm gefehlt hat, war Zeit , er hatte keine Zeit. Stellen Sie sich doch vor, daß er im ganzen vielleicht zwanzig Stunden mit Leni allein war – und er
     war nun mal kein Draufgänger. Leni hat ihm das nicht übelgenommen, nur war sie traurig, sie war doch bereit , ja. Sogar ihre Mutter hat das gewußt, und sie hat es gewollt , das sage ich Ihnen. Ich hab doch gesehn, wie sie drauf achtete, daß Leni ihr hübschestes Kleid anzog – das safrangelbe mit
     dem runden Ausschnitt, und dazu den Schmuck: Korallen hat sie ihr ins Ohr gesteckt, die aussahen wie frischgepflückte Kirschen,
     und die schicken Pumps und Parfüm hat sie ihr gegeben – sie hat sie herausgeputzt wie eine Braut ; sogar sie hat es gewußt und gewollt – aber es fehlte an Zeit, nur an Zeit – nur einen einzigen Tag mehr, und sie wär seine
     Frau geworden und nicht – na ja. Es war schlimm für Leni.«
     
    Es ließ sich nicht vermeiden, Frau Schweigert noch einmal aufzusuchen; von der Pförtnerin telefonisch gefragt, »ließ sie bitten«,
     nicht allzu ungnädig, wenn auch sichtbar ungeduldig, ließ sie, Tee trinkend, doch solchen nicht anbietend, »noch ein paar
     Fragen über sich ergehen«; ja, ihr Sohn habe ihr einmal dieses »Na-ja«-Mädchen vorgeführt; sie legte Wert auf den Unterschied
     zwischen vor gestellt und vor geführt ; eine Vorstellung sei ja auch nicht notwendig gewesen, sie habe das Mädchen ja schon lange gekannt, auch einigen Einblick
     in deren Bildungsgang und -weg erhalten; natürlich sei da »Verliebtheit im Spiel gewesen«, aber den Gedanken an eine mögliche
     Dauerverbindung, Ehe genannt, wies sie erneut als unmöglich |110| zurück, wie die Dauerverbindung ihrer Schwester mit dem Vater des Mädchens; es habe, sagte sie ungefragt, das Mädchen sie
     auch einmal allein besucht, habe – man müsse gerecht sein – durchaus mit Anstand Tee getrunken, der ausschließliche Gesprächsgegenstand
     sei – ja, es klinge überraschend, treffe aber zu – Heidekraut gewesen; das Mädchen habe sie gefragt, wann Heidekraut wo in
     Blüte stehe – ob etwa

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