Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gullivers Reisen

Gullivers Reisen

Titel: Gullivers Reisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Swift
Vom Netzwerk:
verschiedenem Erfolge. Während dieser Zeit haben wir vierzig große und noch viel mehr kleinere Schiffe, so wie dreißigtausend unserer besten Soldaten und Matrosen verloren. Jedoch der Verlust des Feindes ist noch etwas größer wie der unsrige. Dennoch hat er jetzt eine zahlreiche Flotte ausgerüstet und trifft Vorbereitungen zu einer Landung an unserer Küste. Seine kaiserliche Majestät setzt nun großes Vertrauen in Ihre Tapferkeit und Kraft, und hat mir deßhalb befohlen, diesen Bericht über unsere Angelegenheiten Ihnen vorzulegen.
    Ich bat den Sekretär, dem Kaiser die Versicherung meines unterthänigsten Gehorsams zu überbringen, und ihn zugleich zu benachrichtigen, mir als Fremden gezieme es nach meiner Meinung nicht, mich in Parteistreitigkeiten einzulassen; ich sey jedoch bereit, mein Leben zu wagen, um seine Person und sein Reich gegen fremden Angriff zu vertheidigen.

Fünftes Kapitel

    Der Verfasser verhindert durch eine außerordentliche Kriegsthat den fremden Angriff. Ein hoher Ehrentitel wird ihm ertheilt. Es erscheinen Gesandte des Kaisers von Blefuscu und bitten um Frieden. In den Zimmern der Kaiserin bricht eine Feuersbrunst aus. Der Verfasser rettet den übrigen Theil des Palastes.

    Lilliput ist durch einen 800 Ellen breiten Kanal vom Reiche Blefuscu getrennt, einer Insel, die in nordöstlicher Richtung liegt. Ich hatte dieselbe noch nicht gesehen, und vermied es, nach der mir gegebenen Nachricht von einer beabsichtigten Invasion auf jener Seite der Küste zu erscheinen, aus Furcht, von feindlichen Schiffen bemerkt zu werden, welche bis jetzt noch keine Kunde von mir erhalten hatten. Es war nämlich jede Verbindung der zwei Reiche während des Kriegs bei Todesstrafe verboten, und ein Embargo auf alle Schiffe von dem Kaiser gelegt worden. Ich theilte Seiner Majestät einen von mir gebildeten Entwurf mit, die ganze feindliche Flotte zu erobern, welche, wie unsere Avisjachten [9] uns berichteten, im Hafen vor Anker lag und bereit war, beim ersten günstigen Winde abzusegeln. Ich erkundigte mich bei den erfahrensten Matrosen nach der Tiefe des Kanals, den sie oft sondirt hatten, und erfuhr, daß derselbe bei der Fluth in der Mitte siebenzig Glumgluffs betrug, d. h. sechs Fuß englischen Maßes, und sonst nur höchstens fünfzig Glumgluffs. Hierauf ging ich zur Nordostküste, Blefuscu gegenüber, legte mich hinter einen Hügel, zog mein kleines Taschenperspektiv hervor und nahm die vor Anker liegende Flotte des Feindes in Augenschein. Dann kehrte ich in mein Haus zurück und gab Befehl, mir eine große Menge von starken Tauen und eisernen Stangen herbeizuschaffen. Dazu war ich nämlich durch einen Befehl des Kaisers berechtigt. Die Taue waren ungefähr von der Dicke eines Bindfadens und die eisernen Stangen von der Länge und Form einer Stricknadel. Ich verdreifachte die Taue, um sie stärker zu machen, und drehte aus demselben Grunde drei eiserne Stangen zusammen, indem ich die Spitzen in einen Haken bog. Nachdem ich fünfzig solcher Haken an eben so viel Taue geheftet hatte, kehrte ich zur Nordostküste zurück, zog Rock, Schuhe und Strümpfe aus und ging ungefähr eine Stunde vor der Fluth mit meinem ledernen Wamms in die See hinein.

    Ich watete so schnell ich konnte und schwamm in der Mitte ungefähr dreißig Ellen, bis ich Boden fühlte. In weniger als einer halben Stunde war ich bei der Flotte angelangt. Der Feind war so erschreckt als er mich erblickte, daß die ganze Mannschaft aus den Schiffen sprang und an das Ufer schwamm, wo gewiß nicht weniger als dreißigtausend Menschen standen; alsdann nahm ich mein Takelwerk, befestigte an dem Vordertheile jedes Schiffes einen Haken und band alle Stricke am Ende zusammen. Während ich dies vollbrachte, gab mir der Feind eine Salve von mehr als tausend Pfeilen, von welchen mehrere in meinem Gesicht und meinen Händen stecken blieben, und, den Schmerz abgerechnet, bei meiner Arbeit mir nicht wenig hinderlich waren. Am meisten war ich hinsichtlich meiner Augen besorgt, und würde dieselben auch unfehlbar verloren haben, wäre mir nicht plötzlich ein Hülfsmittel eingefallen. Unter anderen kleinen Artikeln, die mir nothwendig waren, befand sich meine Brille in einer besondern kleinen Tasche, welche von den Zollbeamten des Kaisers, wie ich erwähnte, nicht bemerkt worden war. Diese nahm ich heraus, setzte sie auf meine Nase und führte so bewaffnet mit Kühnheit mein Unternehmen trotz der feindlichen Pfeile aus, von denen mehrere das Glas meiner

Weitere Kostenlose Bücher