Gymnasium - Ein Ratgeber fuer Eltern
einzuwenden, wenn die Noten des eigenen Kindes sehr gut oder zumindest gut sind. Anders verhält es sich natürlich bei schlechten Schulleistungen. Denn: Von Vierern und Fünfern im letzten Zeugnis der Tochter zum Beispiel bei Omas 70. zu berichten, ist ein ziemlicher Stimmungskiller und stellt vor allem das Kind bloß – undden eigenen Erziehungsstil gleich mit. Denn garantiert fragt jemand: »Achtet ihr denn nicht darauf, dass in der Schule alles glattläuft?«, um sofort die Gelegenheit zu nutzen, mit den sehr erfreulichen Zeugnissen seiner Kinder aufzuwarten, in denen es höchstens einen unerheblichen Ausrutscher zu beklagen gibt (»Total unfähiger Lehrer! Dem ist unser Marc-Aurel ja schon beinah überlegen!«). Solch einer Situation setzt sich doch niemand freiwillig aus!
► Betrachten Sie die Noten Ihres Kindes als absolute Privatsache – wie Ihr Körpergewicht oder Ihren Überziehungskredit bei der Bank. Zeugnisnoten, interessanterweise sogar gute, die bei Bekannten und Verwandten eilfertig herumgereicht werden, stehen bei Kindern auf der Liste der Peinlichkeiten nämlich ganz oben. Und Sie ersparen sich mit Ihrer Verschwiegenheit auch unangenehme Kurskorrekturen, falls die Noten im Laufe der Jahre wider Erwarten doch schlechter werden sollten.
»Das ganze Schuljahr hindurch lief es eigentlich prima«, berichtet eine Mutter. »Unsere Große ist in der siebten Klasse im Gymnasium und war sich ganz sicher, dass es endlich auch mal in ihrem Horrorfach Deutsch klappt. Sie hat alle Hausaufgaben gemacht, die Klassenarbeiten lagen auch so bei ›drei‹, aber dann stand im Zeugnis doch eine Vier. Jetzt versteht Monika die Welt nicht mehr – und meinem Mann und mir geht es genauso. Wir sind völlig ratlos und fragen uns: Wie kommt es jetzt plötzlich zu dieser für uns in keiner Weise nachvollziehbaren Note?«
Zu Beginn des Schuljahres informiert der Lehrer darüber, wie sich in seinem Fach die Zeugnisnote zusammensetzt (siehe im Kapitel: Noten müssen transparent sein). Kurz vor dem Zeugnis benötigt er dann eigentlich nur sein Notenbuch mit den Einzelnoten und einen Taschenrechner. Bloß: Auch hier gibt es Fallstricke, zum Beispiel bei der Gewichtung. Wie viel Prozent die schriftliche Leistung in einem Fach zählt und wie viel die mündliche, das unterliegt dem Ermessen des Lehrers – in einem vernünftigen Rahmen natürlich. Und er muss sich ja auch daran halten, was er zu Beginn des Schuljahres festgelegthat, kann also nicht einfach die Bedingungen mitten im Jahr ändern.
Um vor bösen Überraschungen sicher zu sein, sollte man sich also zum einen über den Stellenwert klar sein, den die mündliche Leistung ausmacht, und sich zum anderen auch regelmäßig beim Lehrer darüber informieren, wie er die Leistung des Kindes generell beurteilt. Doch was ist eigentlich »mündliche Leistung«? Lässt sie sich überhaupt mit einer Ziffer benennen? Mit einer Drei minus zum Beispiel?
Mündliche Noten stehen häufig auf sehr tönernen Füßen. Eigentlich sind sie als Instrument gedacht, die Fähigkeiten eines Schülers im Laufe des Schuljahrs darzustellen – also nicht wie in Klassenarbeiten eine eher punktuelle Leistung zu dokumentieren. Die Benotung der mündlichen Leistung soll auch jenen Schülern eine Chance auf eine bessere Note geben, die bei schriftlichen Arbeiten Probleme haben – denn zum Beispiel im Deutsch- und auch im Fremdsprachenunterricht zählen bei Klassenarbeiten neben dem Inhalt auch Rechtschreib- und Ausdrucksfehler. Dagegen erwartet kein Lehrer, dass ein Schüler für eine gute mündliche Note druckreif formuliert.
In der Schulwirklichkeit dominieren trotzdem die Klagen über mündliche Noten. Die dreizehnjährige Sarah ist sauer: »Ich melde mich wahnsinnig oft, aber mein Englischlehrer gibt mir im Mündlichen bloß eine Vier. Ich würde mich gar nicht beschweren, wenn nicht ein paar aus der Klasse bessere Noten kriegen würden, obwohl sie sich nur ganz selten melden.«
Sarah ist kein Einzelfall. Für Schüler – und vor allem für Eltern – sind die mündlichen Noten häufig nur schwer nachvollziehbar. Denn bewertet wird nicht primär die Quantität der Unterrichtsbeiträge, sondern deren Qualität. Also müsste der Lehrer Sarah darüber aufklären, dass sie zwar eine gute Mitarbeitsnote bekommen wird, dass aber ihre mündlichen Beiträge wenig durchdacht sind. Deshalb die Vier!
»Die heißesten Diskussionen«, so erzählt ein Lehrer, »gibtes in Klassen immer
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