Gymnasium - Ein Ratgeber fuer Eltern
können, wird Jungs damit vor allem eines signalisiert: dass ihre spezifische Art des Umgangs miteinander nicht erwünscht ist.
Richtig problematisch wird es zusätzlich dadurch, dass Jungs bis in die Pubertät hinein in den meisten Fällen um einiges unreifer sind als Mädchen. So meint ein Klassenlehrer, leicht genervt vom kindischen Verhalten seiner männlichen Schüler: »Sie sind zwar in der siebten Klasse, aber eigentlich gehören sie in die fünfte. Kein Wunder, dass die Mädchen sie nicht ernst nehmen.«
Die Pubertät ist für beide Geschlechter gleichermaßen schwierig, keine Frage. Nur haben Mädchen es vielfach leichter, weil sie in der Regel umgänglicher und anpassungsfähiger sind. Männliches (gröberes) Verhalten stößt dagegen eher auf Ablehnung – und Jungs mit sanften Umgangsformen werden zwar von Mädchen oft »wahnsinnig nett« gefunden, aber von den anderen Jungs in der Klasse häufig ausgegrenzt. Verständlich also, wenn sie in einem bestimmten Alter Schwierigkeiten bei der Rollenfindung haben.
Viele reagieren mit Verweigerung und werden einfach immer stiller. Von Lehrern wird dieses Verhalten dann oft falsch gedeutet: Sie halten den Schüler für faul und desinteressiert – was sich schließlich in einer schlechteren Note bemerkbar machen kann. Der vierzehnjährige Arthur hat hier seinen ganz persönlichen Ausweg gefunden: »Ich finde Geschichte einfach ätzend. Was interessiert es mich, wie die Leute vor hundert Jahren oder so gelebt haben? Aber ich mach einfach immer ein voll interessiertes Gesicht und geb mir Mühe, mich jede Stunde mindestens einmal zu melden. Eine Fünf im Zeugnis kann ich mir nämlich nicht leisten.«
Gut zu wissen, dass der Entwicklungsrückstand von Jungs im Lauf der Schuljahre aufgeholt wird – die Leistungen werden sich also wieder verbessern. Voraussetzung ist aber auch, dass Eltern ihren Sohn positiv in seiner Rollenfindung bestärken. So meint eine Mutter: »Wir haben bei der Schulleitung darum gebeten, dass Marc in die Parallelklasse wechseln kann. In seiner alten Klasse waren überwiegend Mädchen, die den Ton angaben. Marcs Leistungen wurden immer schlechter. Am Unterricht hat er sich schließlich überhaupt nicht mehrbeteiligt. Wir vermuten, dass es ihm auch peinlich war, wenn die Mädchen gekichert haben. Er hat wohl alles auf sich bezogen. Jetzt hoffen wir natürlich, dass er sich in der neuen Klasse – überwiegend Jungen – wieder fängt.« Die Mutter hat in diesem Fall sicherlich zu Recht erkannt, dass die individuelle Leistung auch von der Klassensituation – hier eine Überzahl von Mädchen – abhängen kann.
Aber nicht nur in Bezug auf das Rollenverhalten unter Schülern selbst gibt es Schwierigkeiten. Auch die – häufig unbewusste – Rollenerwartung des Lehrers ist dabei von Bedeutung. Für Mädchen zum Beispiel scheinen sich gemischte Klassen – Jungs und Mädchen – im naturwissenschaftlichen Unterricht eher nachteilig auszuwirken: Sie werden seltener aufgerufen als Jungs, vor allem dann, wenn sie nicht gerade zu den Spitzenschülerinnen gehören. Die Erwartungshaltung ist, zumindest unterschwellig, bei vielen Lehrern nicht allzu hoch; die Mädchen befinden sich in einer Art Schonraum, in dem sie nur wenig gefördert werden und auch kaum einen Ansporn haben, sich durchzubeißen. Häufig wird als Entschuldigung immer noch angegeben: »Mädchen haben einfach Schwierigkeiten mit logischem Denken.«
Dabei ist das Gegenteil erwiesen, unter anderem durch eine Untersuchung in den USA, für welche die Prüfungsergebnisse von sieben Millionen Schülern der Klassen 2 bis 11 analysiert wurden. Ergebnis: »Die Geschlechter schneiden in Mathetests fast identisch ab. In manchen U S-Bundesstaaten hatten die Mädchen eher die Nase vorn, in anderen dagegen die Jungen. Die Differenz war aber stets minimal«, ist in Spiegel Online zu lesen. 10 Bessere Leistungen der Jungs in Naturwissenschaften scheinen also eher kulturelle Ursachen zu haben.
Im Deutschunterricht sieht es häufig umgekehrt aus. Hier sind es die Mädchen, die eher überlegen sind, denn meist lesen sie lieber und mehr als Jungs und zeigen auch im Umgang mit Texten größere Kreativität. Also zurück zur altenMädchen- beziehungsweise Jungenschule, in der man ohne die Konkurrenz durch das andere Geschlecht lernt?
In ganz spezifischen Teilbereichen wäre dies vielleicht von Vorteil, insgesamt gesehen würde eine konsequente Trennung jedoch einen
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