Hab ich selbst gemacht
Auch da muss ich etwas tun. Zu Ostern haben wir von den Eltern des Mannes zwei Hängeerdbeerpflanzen geschenkt bekommen, die setze ich in ein Gestell, das man an die Brüstung hängt. In einen weiteren Topf mit Erde stecke ich zwei Sonnenblumenkerne, in einen Blumenkasten, der ebenfalls an der Brüstung hängt, kommen zehn Samen Kapuzinerkresse.
Neben die Schalen mit den Melonen- und Auberginenpflanzen, die sich bald mal zeigen müssten, immerhin stecken die Samen schon seit vier Wochen in der Erde, quetsche ich noch eine Schale mit Fenchelsamen und einen Blumenkasten, in den ich die sieben kleinen Kopfsalatpflänzchen setze, die sich bisher einen kleinen Topf geteilt haben. Ich muss mir irgendetwas einfallen lassen, wie ich den Platz am Küchenfenster besser nutzen kann. Ansonsten wird es hier, sobald die Pflanzen und mit ihnen die Gefäße größer werden, sehr eng.
Mit erdverklebten Händen stehe ich in der Balkontür und sehe mir mein Tagewerk an. Ich schaue auch glücklich in den Garten runter – den restlichen Tag könnte ich hier stehen und so schauen. Ich bin aufgeregt, ob das alles etwas wird.
Eine Stunde später werde ich allerdings nervös. Der Himmel hat sich zugezogen, es hat angefangen zu regnen. Kann nicht schaden, sage ich mir, dabei wäre mir Sonne für meine Samen schon lieber.
Am späten Abend regnet es immer noch.
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Tag 122
Pflanzen, zart wie Hundewelpen
Ich wache auf, horche in den Maisonntag hinein. Es regnet immer noch. Verdammt. Die Samen sind jetzt wahrscheinlich schon ganz eingematscht und werden vielleicht nicht mehr keimen. Und die Pflanzen, die schon draußen stehen, frieren doch sicher, da im kalten Regen. Es muss aufhören zu regnen. Sofort.
Ich stehe auf und mache mir einen Tee zur Beruhigung, ein Kaffee würde mich jetzt nur noch nervöser machen. Meine Frühstücksbrote esse ich am Balkonfenster stehend, fuchtle alle paar Bissen mit den Armen und fluche in Richtung Frühstückstisch: »Es regnet immer noch!«
»Das können die schon ab. Ist ja nicht so, dass es in der Natur nie regnen würde«, sagt der Mann. Aber ich bin skeptisch, ob es okay für Pflanzen ist, wenn sie eingelitert werden. Immer wieder hört man doch im Radio von Erntekatastrophen wegen andauerndem Regen.
Die Natur, das ist etwas, mit dem ich nicht viel Erfahrung habe. Ich bin mitten in der Großstadt geboren, im Hinterhof groß geworden und später im Plattenbau erwachsen. Die einzige Natur, mit der ich bis dahin zu tun hatte, war ein Maisfeld hinter der S-Bahn-Linie, das aber Anfang der Neunziger verschwand, weil dort Bürogebäude hochgezogen wurden. Natur war dann nur noch das, wo man hingelangte, wenn man die Straße vor unserem Hochhaus, die B2, eine Viertelstunde lang Richtung Nordosten fuhr.
Und jetzt macht mir die Natur hier Scherereien. Nicht mit mir, beschließe ich, schlinge den letzten Happen meinesFrühstücks runter und packe entschlossen große durchsichtige Mülltüten, eine Schere und ein Knäuel Wolle in die Taschen meiner Regenjacke. Ich ziehe in den Kampf. Gegen die Natur. Oder für die Natur, für meine Pflanzen? Jetzt ist mir auch noch der Feind abhanden gekommen. Die Natur ist verwirrend.
Unten im Garagengarten stülpe ich einem Topf nach dem anderen zerschnittene Tüten über, binde sie fest und hoffe, dass das, was ich da mache, einem Gewächshaus nahekommt. Dass sie vor Regen und auch vor der Kälte, die vorausgesagt wird, geschützt sind. Was wäre das denn bitte für eine Schmach: Ich setze mich über die blöde Eisheiligen-Regel hinweg, und dann erfriert und ertrinkt mir hier alles.
Zufrieden schaue ich mir meine Rettungsaktion an, das wird schon. Ich will noch einen Tütenzipfel zurechtzupfen, mache einen Ausfallschritt nach vorn und spüre einen unbekannten Schmerz hinten im Oberschenkel und im Hintern. Was ist das bitte? Zur Probe mache ich auch einen Ausfallschritt mit dem anderen Bein – Muskelkater. Von dem bisschen Gärtnern gestern. Wie lächerlich.
Wieder zurück in der Wohnung hole ich die Pflanzen vom Balkon in die Küche, verteile sie auf Regalen und Fensterbrettern. Dann schalte ich den Computer an und schaue auf allen Wetterseiten, die ich finden kann, nach den Voraussagen für die nächsten Tage. Sie sind sich alle einig: Regen. Viel Regen. Dabei ist der Regen vielleicht noch nicht mal das Schlimmste. In der Nacht zu Freitag werden für die Region Südost Temperaturen zwischen 0 und 7 Grad vorausgesagt. Die Eisheiligen könnten also tatsächlich noch
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