Habgier: Roman (German Edition)
unversucht lassen, um herauszufinden, was Roseanne zugestoßen ist. Und es gibt keinen Grund zur Annahme, dass wir diesen Fall nicht aufklären werden.«
Tieferes Schweigen.
»Sind Sie noch da, Farley?«
»Ja, ich bin noch da.«
Decker stöhnte innerlich auf. »Ich gebe mein Bestes, und ich weiß, dass mein Bestes manchmal nicht genug ist. Das tut mir sehr leid, aber ich verspreche Ihnen, ich bleibe dran an der Sache.«
Und vielleicht haben wir Glück , dachte er bei sich.
Schließlich redete Lodestone weiter. »Die Eltern dieses toten Mädchens, das Sie gefunden haben – sind sie noch am Leben?«
»Ja, sie leben noch.«
»Wie alt sind sie?«
»Über siebzig.«
»Nette Leute?«
»Reizend.«
»Und sie tappten dreißig Jahre im Dunkeln, was ihrer Tochter zugestoßen ist?«
»Ja.«
»Eieiei, das beschämt mich.« Die Stimme des alten Mannes war ganz sanft geworden. »Sprechen Sie noch mal mit ihnen? Den Eltern?«
»Ja, ich werde sicher in den nächsten Tagen oft mit ihnen reden.«
Lodestone war für einen Moment ungewohnt schweigsam. Als er seine Stimme wiedergefunden hatte, klang sie gebrochen. »Wenn Sie sie sehen, bestellen Sie ihnen bitte Grüße von mir.«
»Mach ich, Farley.« Decker fühlte, wie sich seine Kehle zuschnürte. »Ich weiß, dass sie Ihre Anteilnahme zu schätzen wissen.«
Die Leitung wurde unterbrochen. Decker rieb sich seine feuchten Augen und gönnte sich einen Moment Zeit, um einfach nur durchzuatmen. Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen. Das Gespräch hatte seine Stimmbänder ausgetrocknet, und er leerte eine Flasche Wasser in einem Zug. Dann krempelte er die Ärmel hoch und machte sich an die Arbeit.
41
Die Erinnerung des greisen Mannes war plötzlich von Altersschwäche getrübt. Während eines Gesprächs rein theoretisch das Leben des eigenen – und letzten – Sohnes zu versauen, war etwas ganz anderes, als seinem Fleisch und Blut in einem Gerichtssaal gegenüberzusitzen und ihn zum Tode zu verurteilen.
»Ich hab nicht gesagt, dass Ray irgendwas getan hat«, betonte Martin Hernandez, »ich hab Ihnen nur erzählt, dass Beth und Ray sich gestritten haben.«
»Tatsächlich liegt mir der genaue Wortlaut hier vor«, entgegnete Decker. Sie saßen wieder auf den Stühlen aus Stahl, zusammengepfercht in dem luxuriösen Verhörzimmer des Gefängnisses von Santa Fe. »Sie haben Ihre Aussage unterschrieben, Martin. Sie betonen ausdrücklich, Ray hätte Ihnen erzählt, Beth gestoßen zu haben, auch wenn Sie darauf hinweisen, dass es ein Unfall war und Ray gesagt hätte, er wollte sie nicht töten.«
»Ich bin fast achtzig, in Gottes Namen! Vielleicht hat Ray auch gesagt, Manny ist’s gewesen.«
»Wo steckt Manny?«
»Woher zum Teufel soll ich das wissen?«
»Vielleicht weil Sie neugierig sind, was Ihren Sohn betrifft?«
»Im Gefängnis ist man besser nicht neugierig. Man lernt hier ganz schnell, sich nur um seinen eigenen Kram zu kümmern.«
Darauf fiel Decker keine Erwiderung ein. »Ich versuche, Ihnen zu helfen, früher rauszukommen. Ich versuche, Ihnen zu helfen, Ihren Traum zu verwirklichen, Ihre Hunde in der wunderschönen Gegend von New Mexico aufzuziehen. Ich habe gesehen, wie Sie Ihre Gabe im Umgang mit Tieren einsetzen, und Sie können noch eine Menge bewirken, wenn Sie erst mal entlassen werden. Da draußen gibt es jede Menge gerettete Hunde, die Hilfe brauchen.« Decker schnippte mit den Fingern. »Hey, vielleicht kriegen Sie ja eine eigene Fernsehshow wie dieser Hundeflüsterer!«
Hernandez verdrehte die Augen. »Lieutenant, ich bin alt, ich bin vergesslich, aber ich bin nicht blöd. Also halten Sie mich nicht für’nen Idioten.«
Decker nickte. »Streichen wir die Fernsehshow. Aber alles andere betrifft das wirkliche Leben und liegt in Ihrer Hand. Wenn Sie jetzt Sachen vergessen, die Sie gesagt haben, Martin, kann ich Ihre Aussage trotzdem den Geschworenen vorlegen. Was aber bedeutet, dass Sie wieder ganz am Anfang stehen und Ihre Zeit hier absitzen werden. Das ganze Gerede wäre umsonst gewesen. Es liegt in Ihrer Hand.«
»Ich werde Ihnen zuliebe nicht lügen.«
»Gott bewahre!«, rief Decker. »Martin, ich erwarte von Ihnen die Wahrheit. Sagen Sie den Geschworenen, was Ray Ihnen erzählt hat. Mehr nicht. Alles Weitere entscheidet das Gericht.«
»Er hat mir nie gesagt, dass er sie getötet hat, Lieutenant. Damit das klar ist.«
»Aber er hat Ihnen gesagt, er hätte sie gestoßen...«
»Er schubste sie, Manny schubste sie. Und es war so nicht
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