Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition)
taten sie Dinge, die so unanständig waren, dass sie von Rechts wegen höchstens in einem Pornofilm vorkommen durften. Unterbrochen wurden diese Szenarien durch Intervalle, in denen ich durch eisige Polargebiete irrte und nach einem Wärmequell suchte. Einmal fand ich nach einer langen Wanderung endlich eine Art Iglu, das sich dann bei näherem Hinsehen zu meinem Entsetzen als Besenkammer entpuppte. Darin, wen wundert’s, hielten sich die üblichen Verdächtigen auf. Diesmal allerdings zu dritt, und das, was sie da taten, hätte jeden Eskimo vor lauter Scham im nächstbesten Eisloch versinken lassen.
Serena schaute blinzelnd zu mir hoch. »Ich weiß, ein gut erzogenes Mädchen redet nicht mit vollem Mund«, meinte sie geziert. Dann fuhr sie fort: »Aber die Sache ist die: Ich bin ja gar nicht gut erzogen!«
Als ich schluchzend von diesem Ort des Grauens floh, rannte ich in unseren Nachbarn Hermann Habermann hinein, der gerade den Gerichtsvollzieher daran hindern wollte, seinen Wagen zu pfänden. »Wissen Sie, der Porsche gehört überhaupt nicht mir, Sie können da keinen Kuckuck draufkleben!«
»Jetzt sagen Sie nur, es ist der Wagen Ihrer Frau«, versetzte der Gerichtsvollzieher süffisant, während er auf Hermanns bessere Hälfte deutete, die auf dem Kotflügel hockte und an einer Wodkaflasche nuckelte.
»Nein, Dorothee musste letztes Jahr ihren Führerschein abgeben. Der Wagen hier – er ist geklaut. Deswegen können Sie ihn nicht pfänden. Logisch, oder?«
In meinem Traum wechselte die Szenerie. Hermann und Dorothee verschwanden, während mein Vater ins Bild kam, zusammen mit dem frettchenartigen Russen und dessen Kumpan mit dem Bowlingkugelbauch.
»Wir können über alles reden«, sagte mein Vater beschwichtigend zu den beiden.
»Über alles. Außer über Geld.« Das Frettchen hatte ein Messer gezogen und reinigte sich mit der Spitze die Fingernägel. Mein Vater starrte auf die blinkende Schneide. »Nächsten Monat bin ich wieder flüssig. Es ist nur ein vorübergehender finanzieller Engpass. Ich werde mit meiner Tochter reden. Sie ist eine Karrierefrau mit besten Geschäftsaussichten und stetig wachsendem Einkommen. Sie wird mir aus der Klemme helfen, wenn ich sie darum bitte.«
Das Frettchen hob das Messer. Es blitzte so stark, dass es mich völlig blendete – und es kam näher!
»Nein!«, schrie ich. Keuchend und mit wilden Blicken schaute ich mich um, doch weit und breit war kein Messer zu sehen. Trotzdem war ich geblendet, was in dem Fall allerdings daran lag, dass mir die Sonne direkt ins Gesicht schien und mit einer Heftigkeit in die Augen stach, die mich stumm jenen Menschen verfluchen ließ, der die Feuerzangenbowle erfunden hatte. Gestern war es so nett und heimelig gewesen, zusammen mit Pauline und Annabel vor dem heißen Topf zu hocken. Es war auf unbestimmte Art tröstlich, den Zuckerkegel mithilfe von Rum und Feuer zum Schmelzen zu bringen und ihn als Flammenregen in den siedenden Wein tropfen zu sehen. Und hinterher alles bis auf den letzten Tropfen wegzubechern. Aber heute …
Stöhnend ließ ich mich zurücksinken und schloss die Augen. Annabel lag neben mir und schnarchte. Sie hatte es gut. Sie musste nicht diese unmenschlichen Kopfschmerzen und dieses grässliche helle Licht ertragen, das einem schier die Augäpfel wegbrannte. Klar, wenn sie erst wach war, würde es ihr vielleicht ähnlich schlecht gehen, das wollte ich ja nicht abstreiten. Aber im Moment hatte sie eindeutig den besseren Part von uns beiden.
Die entsetzliche, schockartige Erinnerung an den gestrigen Abend überfiel mich mit aller Macht. Ein weiterer Fünfundzwanzigtonner rollte über mich hinweg. Der Mann, mit dem ich Kinder hatte haben und alt werden wollen – er hatte es mit der schlimmsten Zicke der ganzen Schule getrieben! Und das, nachdem besagte Zicke gerade erst den Hochzeitstag meiner liebsten und besten Freundin versaut hatte!
Ich schluckte heftig, doch der Riesenkloß, der in meinem Hals steckte, ließ sich trotz aller Bemühungen nicht zum Verschwinden bringen. Hinter mir lag der schwärzeste Tag meines Lebens, und ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie es weitergehen sollte.
Ein Geräusch zwang mich, wieder die Augen zu öffnen, wobei ich sorgsam darauf achtete, nicht in Richtung Fenster zu schauen. Der Nachteil dabei war allerdings, dass ich nichts sehen konnte, abgesehen von Annabels röchelndem, weit aufgerissenem Mund. Sie lag mit dem Gesicht zu mir, zusammengerollt wie ein Embryo. Die Decke
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