Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition)
darin erschöpften, ihre Sätze nachzuleiern. Sie wirkte seltsam euphorisch. »Sven richtet sich die beiden Räume im Dachgeschoss zum Wohnen ein. Das Bad müssten wir vier uns halt teilen, aber das wäre möglicherweise nur vorübergehend. Sven meinte, er könnte sich problemlos auch oben noch ein kleines Duschbad einbauen lassen. Er hat gesagt, das Haus hätte so viele große Zimmer, und er findet, die sollten nicht alle ungenutzt leer stehen. Also hat er uns angeboten, erst mal hier zu bleiben, bis wir uns wieder gefangen haben. Er besteht sogar darauf. Wir sollen nicht mal Miete zahlen. Nur die Energiekosten, so wie bisher. Und er hat seine Handwerker unsere Sachen alle wieder nach oben schleppen lassen, damit wir keine Arbeit damit haben. Ich habe ihnen gesagt, wo sie alles hinstellen sollen. Und Sven hat ihnen dann sogar beim Aufbauen der Möbel geholfen. Ist er nicht süß?«
»Süß«, sagte ich blechern.
»Gell, du findest das auch! Ich wusste es! Wie gut, dass er plötzlich hier aufgetaucht ist! Alles wird gut, wetten?« Sie strahlte wie von innen heraus erleuchtet. »Meine Güte, ich hätte es nie gedacht, aber es stimmt! Ich bin eine Hexe! Und du auch! Meine Idee und deine Inspiration – das war echte Magie, Britta!«
Ich schüttelte mich, um die bleierne Erstarrung loszuwerden, die mein Denkvermögen lahm legte.
»Was meint er mit: Bis wir uns wieder gefangen haben? Wie kommt er darauf, dass wir uns fangen müssen?«
»Ich habe ihm natürlich die Geschichte erzählt.«
»Welche Geschichte?«
»Na, deine und meine.«
»Alles?«, fragte ich entsetzt.
Annabel nickte, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt, einem wildfremden Anwalt unser beider geheimste Schmach zu offenbaren.
»Keine Sorge. Er hat gesagt, er erzählt es auch bestimmt nicht weiter, weil es sowieso unter die anwaltliche Schweigepflicht fällt, wenn er mein Scheidungsanwalt wird.«
»Und was sagt Pauline zu diesem ganzen Arrangement?«, bohrte ich. »Weiß sie überhaupt schon, was hier gerade abgeht?«
»Klar. Ich habe sie vorhin angerufen. Sie sagt, es wäre in Ordnung. Wir tun alles, was gut für mich ist. Und für dich natürlich. Ist sie nicht ein Schatz?«
Ich nickte zerstreut und wandte mich ab. »Entschuldige mich. Ich muss nachdenken.«
»Warst du im Büro?«
Ich blieb abrupt im Türrahmen stehen, drehte mich aber nicht zu ihr um. Hatte ihre Stimme nicht gerade eigenartig schrill geklungen?
»Bist du mit deiner Firma da ausgezogen? Hast du deine Sachen rausgeräumt?«
Ich brummte etwas Zustimmendes und wollte in mein Zimmer gehen.
»Warte«, rief sie. »Bist du ihm begegnet?«
»Äh … wem? Klaus?«
»Wem sonst!«, versetzte sie schroff.
»Nur ganz kurz. Praktisch nur zwischen Tür und Angel.«
»Was hat er gesagt?« Jetzt klang ihre Stimme eindeutig schrill!
»Nicht viel«, sagte ich vorsichtig und immer noch zu feige, sie anzusehen. »Er hat geheult.«
Das schien ihr nachhaltig die Sprache zu verschlagen, denn sie stellte keine weiteren Fragen mehr. Ich beeilte mich, aus ihrem Zimmer zu verschwinden und rasch die Tür hinter mir zuzuziehen.
*
Das Gehämmer kam jetzt nicht nur von unten, sondern auch von oben. Anscheinend machte dieser Anwalt gleich Nägel mit Köpfen. Eine Mischung aus Neugier und Argwohn erfüllte mich, doch die Neugier siegte. Zuerst zögernd, dann immer entschlossener ging ich die Treppe hoch ins Dachgeschoss. Das Haus war am Anfang des vergangenen Jahrhunderts erbaut worden und hatte das für die damalige Zeit übliche Walmdach. Vor dreißig oder vierzig Jahren war alles saniert worden, und im Zuge dieser Arbeiten hatte man auch das Dach ausgebaut, weil die ursprüngliche Planung vorgesehen hatte, dass Paulines Eltern hier einzogen. Es gab zwei etwa gleich große Zimmer von jeweils zwanzig Quadratmetern sowie zwei kleinere Kammern, die sich als Bad beziehungsweise Küche eigneten. Sämtliche Anschlüsse waren vorhanden. Allerdings hatte hier oben nie jemand gewohnt, es war nicht tapeziert, und das alte Linoleum sah auch nicht gerade einladend aus.
Sven stand unter der Dachschräge neben dem Fenster und stemmte mit Hammer und Meißel den Putz von der Wand. Er trug nichts außer einer abgeschabten alten Jeans und seiner Armbanduhr. Die Muskeln an seinem nackten Rücken bewegten sich im Takt der Hammerschläge. Mein Mund fühlte sich plötzlich ziemlich trocken an. Das musste an dem Mörtelstaub liegen, der durch die Luft flog. Ich leckte mir die Lippen und überlegte, ob
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