Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition)
einzieht? Vielleicht weil er seine eigene Wohnung gekündigt hat und sonst auf der Straße pennen müsste. Ganz zu schweigen davon, dass er nächste Woche die Kanzleieröffnung hat.«
»Das meine ich nicht«, sagte ich ungeduldig. »Sondern diese komische menschenfreundliche Tour, uns weiter hier wohnen zu lassen. Einfach so, ohne Bedingungen.«
Schweigen am anderen Ende der Leitung.
»Das ist äußerst ungewöhnlich für einen Anwalt«, räumte Pauline schließlich zögernd ein. »Und ich kenne einige von denen, so viel ist sicher.« Sie hielt inne. »Wahrscheinlich steht er auf Annabel. Du hast doch gesagt, wie hin und weg sie von ihm ist. Männer finden es klasse, wenn man so auf sie abfährt.«
»Das würde ich als Grund akzeptieren, wenn es nur um Annabel ginge. Sie ist hübsch und blond und eine richtige Traumfrau. Aber gleich wir alle drei? Und sogar ohne Miete? Das ist ein bisschen viel Altruismus, findest du nicht?«
»Doch«, sagte Pauline kleinlaut. Dann meinte sie eifrig: »Vielleicht ist er so in sie verknallt, dass er uns beide billigend in Kauf nimmt.«
»Das glaubst du doch selber nicht.«
»Warum nicht? Sie kann super kochen und will niemals die Fernbedienung nur für sich alleine haben.«
»Das weiß dieser Typ doch gar nicht.«
»Stimmt auch wieder.« Pauline verfiel in nachdenkliches Schweigen. »Ob er pervers ist? Ich meine, ein Mann und drei Frauen … Vielleicht hält er das für die Gelegenheit seines Lebens. Es gibt solche Typen.«
Das konnte ich mir schon eher als Begründung vorstellen. Während ich noch überlegte, ob Sven irgendwie sexsüchtig oder sonst wie besonders triebhaft auf mich gewirkt hatte, meinte Pauline triumphierend: »Ich hab’s!«
»Ich auch«, sagte ich eifrig. Im selben Moment war mir ein guter Grund eingefallen. »Der Typ hat Schiss vor dir.«
»Warum?«, fragte sie erstaunt.
»Na, da fragst du noch? Er hat doch mitgekriegt, wie du draußen rumgeballert hast!«
»Ach das. Das habe ich geklärt, ich habe bei ihm im Büro angerufen und ihm ausrichten lassen, dass es ein Versehen war.«
»Dann muss er andere Gründe haben, uns nicht sofort rauszuschmeißen.«
»Ich würde sie dir ja erzählen, wenn du mir nicht immer reinquatschen würdest«, sagte Pauline.
»Ich höre.«
»Er kann es sich in Anbetracht seiner bevorstehenden Kanzleieröffnung nicht erlauben, einen Skandal zu provozieren.« Diesmal sprach sie sachlich, als würde sie den Tatbestand einer Strafakte vorlesen. »Stell dir nur vor, welche Wellen es in der Öffentlichkeit schlagen würde, wenn er drei junge, vom Schicksal so schwer gebeutelte Frauen aus dem Haus schmeißt. Dem Haus, das sie von Rechts wegen von ihrer Oma geerbt hätten, wenn die Behörden es zwecks Abdeckung von Heimpflegekosten ihnen nicht unter dem Hintern weg verkauft hätten – an einen Hai von Anwalt, der nichts Eiligeres zu tun hat, als aus dem Missgeschick der armen Waisen Profit zu schlagen.«
»Annabels Eltern leben noch, und mein Vater auch. Und es ist nicht unsere Oma, sondern deine. Und du bist auch nicht vom Schicksal gebeutelt.«
»Das finde ich aber wohl«, sagte Pauline beleidigt. »Ich wollte eigentlich nie von der Störtebekerstraße wegziehen. Ich liebe das Haus, und ich habe meiner Oma versprochen, es in Ordnung zu halten und mich darum zu kümmern. Hätte ich genug Kohle gehabt, hätte ich es gekauft. Oder nach ihrem Schlaganfall die Pflegekosten bezahlt, damit es in der Familie bleiben kann. Aber da hätte ich schon im Lotto gewinnen müssen, und das weißt du.«
Sofort hatte ich ein schlechtes Gewissen. Mir war nie so richtig klar geworden, dass es für Pauline schwer war, das Haus aufzugeben. Immerhin war sie darin groß geworden. Ihre Oma hatte sie aufgezogen, nachdem Paulines Eltern bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren.
»Tut mir Leid«, sagte ich kleinlaut. »Vielleicht bin ich einfach zu kritisch. Ich traue den Männern irgendwie nicht mehr so richtig.«
»Womit du völlig Recht hast«, sagte Pauline. »Aber manchmal muss man pragmatisch denken. Was das Haus betrifft, so ist Svens Auftauchen wirklich für uns alle die Lösung. Oder sagen wir, es ist die zweitbeste. Im Grunde ist es gehupft wie gesprungen. Ob wir jetzt mit diesem Anwalt in einem Haus wohnen oder mit deinem Vater – wo ist der Unterschied?«
Irgendwie hatte sie es geschafft, wieder auf ihr Lieblingsthema umzuschwenken. Mittlerweile fragte ich mich ernsthaft, was sie an meinem Vater fand. Er musste etwas an sich haben,
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