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Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition)

Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition)

Titel: Hände weg oder wir heiraten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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was mir bisher völlig entgangen war. Allerdings war ich nicht in der Stimmung, dieser Frage auf den Grund zu gehen. Weit mehr beschäftigte mich nämlich das Traummann-Syndrom, dem Annabel so offensichtlich anheim gefallen war. Sie hatte sich da in eine wirklich verrückte und wahrscheinlich sogar gefährliche Fantasie hineingesteigert, und wir würden etwas unternehmen müssen, um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Doch das war kein Thema, das ich mit Pauline am Telefon auswalzen wollte, zumal sie bereits wieder ungeduldig wurde. »War noch was?«, wollte sie wissen. »Ich habe hier noch ein paar dringende Fälle.«
    Eigentlich hatte ich ihr noch von meinem merkwürdigen neuen Auftrag erzählen wollen, aber auch das hatte Zeit, bis sie nach Hause kam. Ich verabschiedete mich von ihr und trennte die Verbindung, dann legte ich das Handy zur Seite und wanderte im Zimmer umher, um meine Habseligkeiten zu sichten. Alles schien noch da zu sein. Bett, Schrank, Schreibtisch, Regale, Schminktisch – jedes Teil stand an seinem angestammten Platz. Die Handwerker hatten ganze Arbeit geleistet. Kleidung und Bücher waren noch in den Kisten, ich musste einfach nur wieder alles auspacken und einräumen.
    Aus einem der Kartons blitzte zwischen Lagen von Papier der Zipfel von etwas Weißem hervor. Ich zog daran und hatte plötzlich mein Hochzeits-Negligé in der Hand. Es war aus kostbarer, perlenbestickter Seide, eine wunderschöne, antike Rarität aus den Zwanzigerjahren. Meine Uroma hatte es in ihrer Hochzeitsnacht getragen. Nur ein einziges Mal. Dann hatte sie es sorgfältig in Reispapier eingeschlagen und auf dem Dachboden verstaut. Bis meine Oma heiratete, die es dann ebenfalls in ihrer Hochzeitsnacht trug – auch nur dieses eine Mal. Danach hatte es dann meine Mutter bekommen, die es ebenfalls nur ein einziges Mal getragen hatte, und jetzt war ich an der Reihe. Eigentlich hatte ich es in drei Monaten anziehen wollen, damit Thomas es mir in unserer Hochzeitsnacht zärtlich hätte abstreifen können. Anschließend hätte ich es dann für unsere Tochter aufgehoben.
    Ach, es war ein solches Trauerspiel! Es wäre so wunderbar traditionell gewesen! Ich hatte es sogar schon reinigen lassen, damit es einsatzbereit war! Something old, something new, something borrowed, something blue …
    Das Negligé war natürlich etwas Altes. Es war ein herrlich sündhaftes, weich fließendes Hemd, weit ausgeschnitten, mit zarten geflochtenen Trägern und cremefarbener Elfenbeinspitze verziert. Es schrie förmlich nach einer weiteren Hochzeitsnacht. Die es nun wahrscheinlich nie mehr erleben würde, weil die Kette unterbrochen war. Und das in der vierten Generation! Ich war einfach unfähig zum Heiraten, so sah es aus. Andere Frauen waren im Alter von siebenundzwanzig schon lange verheiratet, manche sogar schon zum zweiten Mal. Oder sie hatten wenigstens eine feste Beziehung, die jederzeit in eine Ehe münden konnte, wenn sie nur Wert darauf legten. Sie waren quasi fast-verheiratet, der Gang zum Standesamt war nur noch eine Formsache. Bei mir war es keine Formsache, sondern Utopie. Ich hatte nicht mal eine Beziehung, sondern nur einen Ex, dessen letzter Anblick mich wahrscheinlich bis ins Grab verfolgen würde.
    Ich drückte mir die duftige Seide vor die Augen. Als Taschentuch taugte das Negligé nicht viel, aber mir war alles recht, um mein eigenes Elend nicht mehr sehen zu müssen. Niedergeschmettert sank ich auf mein Bett und versuchte, an nichts mehr zu denken.
    *
    Als ich zu mir kam, fühlte ich mich völlig zerschlagen und hatte keine Ahnung, ob es morgens oder abends war. Jedenfalls war es stockfinster. Vom ersten Eindruck her tippte ich eher auf abends, denn besonders ausgeschlafen kam ich mir nicht vor. Am liebsten hätte ich mich nur gemütlich um die eigene Achse gedreht und wäre wieder eingeschlafen. Doch dagegen sprach zum einen, dass ich in total verschwitzten, unbequemen Klamotten steckte, und zum anderen, dass ich einen Wahnsinnshunger hatte. Das Abendessen hatte ich ausfallen lassen, und zu Mittag hatte es auch nichts gegeben. Normalerweise hätte ich mir in der Metzgerei Wagenbrecht irgendwas Leckeres zum Futtern besorgt, so wie ich es sonst immer gehalten hatte, wenn ich mittags ins Büro ging. Doch das war heute aus nahe liegenden Gründen nicht in Betracht gekommen. Danach hatte ich vor lauter Frust und Stress überhaupt nicht daran gedacht, etwas zu essen. Das musste ich jetzt unbedingt nachholen, daran ließ mein

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