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Haertetest

Haertetest

Titel: Haertetest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katri Dietz
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doch erwachsene Menschen! So hören Sie mir doch erst einmal zu!«
    Eine Mutter rief: »Ja, ich fände es auch fair, wenn wir ihr eine Chance lassen! Lasst sie doch erst einmal anfangen!«
    Ich warf Julia einen Blick zu. Wir würden noch warten. Maja naschte am Schokoladenkuchen, und auch ich stopfte mir schnell einen kleinen Brocken davon in den Mund. Köstlich! Und so beruhigend! Die Aggressionen im Raum legten sich ebenfalls. Trotzdem war es hier so warm wie in einem Kuhstall während der sommerlichen Mittagspause.
    Frau Schmidt-Günther fing endlich mit ihrem Vortrag an: »Was mir immer wieder auffällt, ist, dass Mütter und Väter in der heutigen Gesellschaft meinen, sie müssten in der Kindererziehung auf ihr  Gefühl  hören!«, schallte es durch die Lautsprecher auf uns herab. »Das ist natürlich vollkommener Unsinn!«
    Gemurmel brandete auf. »Erziehung kommt von  ziehen!  Wir müssen die Kinder in die richtige Richtung ziehen. Diesen neumodischen Quatsch mit den Be-ziehungen zu unseren Kindern halte ich für völlig unangemessen. Man sieht ja auch, wohin das führt.«
    Das Gemurmel steigerte sich in einen Tumult. Frau Schmidt-Günther wurde lauter: »Doch, es ist aber so! Heute sind so viele Kinder krank wie nie zuvor, leiden an  ADHS  und Wahrnehmungsstörungen!«
    Eine Frechheit, die Gründe für diese Statistik – wenn sie überhaupt stimmte – der angeblich fehlenden Durchsetzungskraft der Eltern in die Schuhe zu schieben! Ich hielt es eher für eine Entwicklung des Gesundheitssystems, dass heute viel früher Krankheiten diagnostiziert wurden, die man früher nicht erkannt und nicht mal  ge kannt hatte. Leider wurden die Krankheiten auch oft  zu  früh erkannt, nämlich bevor die Kinder überhaupt etwas hatten. Manche Kinderärzte schrien ja geradezu: »Ha! Das seh ich von hier!  ADHS !«, sobald eine Mutter mit ihrem störrischen Kind das Wartezimmer betrat.
    »Würden sich mehr Eltern durchsetzen …«
    Die Eltern fingen an zu buhen.
    »Würden sich mehr Eltern wirklich durchsetzen und klare Richtlinien vorgeben, statt immer das Kind zu fragen, was es denn eigentlich  möchte,  wäre allen viel mehr … Meine Damen und Herren, ich bitte Sie!«
    Buhrufe und Beschimpfungen wurden laut.
    Dann eskalierte alles.
    »Schmidt-Günther, komm von deinem hohen Ross mal runter!«, schrie eine Mutter. »Sie haben ja einfach keine Ahnung, wie es wirklich ist!«
    Alle grölten. Der elfjährige und gerade in der »Ich bin ja so cool«-Phase befindliche Bruder eines Kindergartenkindes reimte mehr schlecht als recht: »Frau Schmidt-Günther, komm da oben runter, dann gibt’s was auf den Hintern!«, und alle lachten.
    Frau Schmidt-Günther schrie nun auch in ihr Mikro: »Jetzt beruhigen Sie sich bitte! Gebt den Kindern keine Macht über uns! Seid nicht die Sklaven eurer Kinder! Nur mit strenger Hand lassen sich Monster zu Menschen erziehen!« Sie kam aber gegen das Geschrei der Mütter, Väter und Kinder nicht an.
    »Wir kommen gleich dahinter, dann gibt’s was auf den Hintern!«, schallte es einvernehmlich aus kleinen und großen Kehlen.
    Maja neben mir stopfte sich bereits das zweite Stück Kuchen in den Hals. Den Drang, in Stresssituationen zu essen, hatte sie offenbar von mir geerbt. Wo sie schon mal dabei war, konnte ich genauso gut zugreifen. Um uns herum brodelte die Stimmung. Der Kuchen mit Smarties schmeckte hervorragend schokoladig und klebte an meinem Gaumen. Ich mampfte schnell, um mich notfalls am Geschrei beteiligen zu können.
    Es war wie in einem Punkkonzert, nur ohne Musik.
    Frau Fischer hüpfte auf der Bühne hin und her, schrie »Ruhe!« und fuchtelte mit den Armen. Ich sah Julia, Saskia und Katharina an. Wir nickten. Los! Auf einmal flog der Kuchen vom Buffet direkt nach vorne auf die Bühne. Ich möchte jetzt ungern die Schuld auf mein Kind schieben. Natürlich hatte ich ihr vorher erlaubt, auf mein Zeichen hin mit dem Kuchen zu werfen. Und dass ich dann auch noch mitgemacht habe und portionsweise sahnige Pfirsichtorte in Richtung Bühne geworfen und dabei auch noch getroffen habe, will so gar nicht zu mir passen. Aber ich muss zugeben: Doch, so war es.
    Maja und ich sahen uns an und lachten uns kaputt. Julia, Saskia und Katharina hatten ebenfalls Spaß, und die anderen Mütter beteiligten sich schnell an Reinhard Meys »Schlacht am kalten Buffet«. Als die Kinder begriffen, was los war – »Yeah! Kuchenschlacht!« –, stürzte eines nach dem anderen zu den Tischen,

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