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Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Titel: Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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Herbst?”
    Swensen spürt deutlich, dass die Mordfälle alles andere als abgeschlossen sind. Er schließt die Augen, geht im Geist noch einmal durch Eddas Wohnung. Plötzlich sieht er sich eine Schublade aufziehen, die Schublade in Eddas Küche. Er wühlt darin herum. Ein Zettel. Genau, das Flugblatt, dieses gelbe Flugblatt von einer Wohnungsauflösungsfirma. Die Nummer hab ich mir doch damals in mein Notizbuch geschrieben, denkt er, und das steckt in meiner Manteltasche.
    »Was ist?«, fragt Anna, als er wie abwesend aus dem Raum eilt.
    »Bin gleich zurück!«, ruft er ihr aus dem Flur zu, kommt mit seinem aufgeschlagenen Block zurück, greift zum Handy und tippt eine Nummer ein. Nach einigen Klingelzeichen meldet sich eine monotone Frauenstimme: »Guten Tag. Sie sind verbunden mit der Mail-Box der Nummer 0 1 7 2 4 2 6 6 8 5. Bitte sprechen Sie ihre Nachricht nach dem Signalton.«
    »Jan Swensen, Kripo Husum, rufen Sie mich bitte unter der Nummer 0179676113 zurück.«
    Anna sitzt mit der Kaffeetasse im Bett und sieht Swensen fragend an, als der sein Handy in die Tasche steckt.
    »Nichts Wichtiges. Nur eine Telefonnummer, die ich bei der Ermittlung gefunden hatte. Meldet sich leider nur die Mail-Box.«
    »Vielleicht sollten wir erst mal in Ruhe frühstücken. Dein Gesichtsausdruck hat schon wieder was von einem Kripobeamten, der nicht mehr zu bremsen ist.«
    »In Ordnung. Ich muss nur noch einen kleinen Anruf machen.«
    »Okay, du setzt hier die Prioritäten!«, sagt Anna angesäuert. »Du telefonierst und ich geh’ duschen!« Sie schlägt die Bettdecke zurück, zeigt provozierend ihren nackten Körper, bevor sie aus dem Bett springt und aus dem Zimmer schreitet. Swensen verspürt einen kurzen Impuls ihr zu folgen, entscheidet aber erst seinen Anruf zu machen. Er sucht die Nummer in seinem Notizblock und tippt die Zahlen ein.
    »Maike!«, meldet sich eine Kinderstimme.
    »Kannst du bitte deinen Papa ans Telefon holen, Maike?«
    Der Hörer wird unsanft abgelegt. Swensen hört wie die Kinderstimme mehrmals laut »Papa« ruft. Er trommelt nervös gegen den Türrahmen der Schlafzimmertür. Dann hört er Schritte und der Hörer wird hochgenommen.
    »Bulemann!«
    »Robert, hier ist Jan, Jan Swensen, Kripo Husum!«
    »Jan! Nanu, was gibt es denn so Wichtiges am Sonntagmorgen?«
    »Entschuldige, ich hab einfach keine Ruhe zu warten. Ist es möglich, dass du mir heute noch eine bestimmte Passage aus dem Originalmanuskript des Storm-Romans raussuchen kannst?«
    »Ich hab zwar dienstfrei, aber wenn es unbedingt sein muss.«
    Swensen erzählt die Geschichte von Emil Nolde, dem Schreibtisch und dem vorher gestorbenen Theodor Storm. Bulemann kommentiert seinen Vortrag mit erstaunten Lauten.
     
    * * *
     
    Maria Teske schaut widerwillig auf die leere Seite ihres Notizblocks. Tief in der Magengegend wehrt sich etwas in ihr, auch nur ein lausiges Wort aufs Papier zu bringen. Sie empfindet ihren Auftrag als eine Zumutung. Nur mit innerlichem Protest hatte sie ihn angenommen. Die Wirklichkeit war noch ernüchternder gewesen.
    Der Weihnachtsbasar der nordfriesischen Landfrauen ist nun mal kein kulturelles Highlight in Husum, denkt sie. Wenn ich ehrlich bin, hab ich nicht die geringste Lust etwas über selbstgebastelte Strohsterne und Kerzenleuchter zu schreiben. Der Ärger über ›Think Big‹ kriecht ihr langsam den Nacken hinauf.
    »Ich glaub’ ich nehme dich für ’ne Weile aus der Schusslinie«, hatte er ihr gesagt. »Wenigstens so lange bis Gras über die Konfrontation mit der Kripo gewachsen ist.«
    Als sie nach Luft schnappte um zur Gegenwehr anzusetzen, hatte er ihr mit »behalte dein Genörgel bloß für dich und übernimm derweil eine Veranstaltung für die Lokalseite« den Wind aus den Segeln genommen. Beim Rausgehen war ihr dann die Tür nicht ganz unabsichtlich aus der Hand gefallen und mit einem Riesenknall zugefallen.
    Feigling, denkt sie, von wegen ›freie Presse‹. Für ihren Kollegen Meyer hatte sich die miese Sache mit dem Foto vom toten Poth zumindest ausgezahlt. Gleich zwei Hamburger Zeitungen waren danach hinter ihm her. Ja, wer aufsteigen will, muss im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen gehen.
    Ja, es weihnachtet sehr. Spätestens wenn der Einzelhandel in der Innenstadt die Stromkosten in heilige Höhen treibt, fließt es ihr in einem spontanen Schub aus der Feder, trifft sich auch alle Jahre wieder das seltsame Forum der friesisch frustrierten Landfrauen …
    Vergiß es Maria Teske, denkt sie. Du

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