Harper Connelly 02 - Falsches Grab-neu-ok-10.12.11
noch nicht da,
aber heute früh schon.«
Wir
versuchten, nicht allzu überrascht zu wirken. Wir waren vorher da gewesen, die
Leiche hatte im Grab gelegen, aber das Auto hatte mit Sicherheit nicht dort
gestanden.
»Woher
wissen Sie das?«, fragte ich und war stolz, so gelassen zu klingen.
»Die
Campus-Polizei macht jeden Abend gegen neun ihren Rundgang, und zu dieser
Uhrzeit stand kein Auto auf dem Parkplatz von St. Margaret. Da es
Campus-Polizisten sind, drehen sie nur eine Runde über den Parkplatz. Sie
verlassen ihren Wagen nicht und kontrollieren erst recht nicht die Gräber.
Komisch ist nur, dass Nunley da wahrscheinlich schon in dem Grab lag. Der
Todeszeitpunkt war nämlich deutlich früher als neun. Die Körpertemperatur
deutet darauf hin, dass er spätestens um sieben Uhr tot war, eine These, die
auch sein Mageninhalt bestätigt. Natürlich warten wir noch auf die
Laborberichte, und es fehlen noch viele Informationen über die Leiche.«
Tolliver und
ich sahen uns an. Ich musste mich schwer beherrschen, nicht die Hände vors
Gesicht zu schlagen. Wir hatten gar nicht gewusst, was für ein Glück wir gehabt
hatten. Hätte uns die Campus-Polizei bei der Leiche erwischt, hätte uns
bestimmt niemand geglaubt, dass wir unschuldig sind.
»Und warum
hat der Mörder Ihrer Meinung nach den Wagen weggefahren, um ihn anschließend
wieder zurückzubringen, Mr Koenig?«, fragte ich
ironisch. »Moment, darüber muss ich erst mal scharf nachdenken.« Ich legte in
gespielter Konzentration einen Finger an meine Wange.
Ehrlich
gesagt hatte ich bereits eine recht genaue Vorstellung davon. Besser gesagt,
drei. Erstens: Der Mörder wollte das Auto säubern, um etwaige forensische
Spuren zu beseitigen. Zweitens: Der Mörder musste etwas holen und es zum
Friedhof bringen, um die von ihm beabsichtigte Wirkung zu erzielen. Drittens:
Der Mörder hatte uns kommen hören und wollte den Wagen wegfahren, bevor wir ihn
hinter dem Steuer entdeckten.
Seth Koenig
sah ausdruckslos zwischen Tolliver und mir hin und her. Er fand das gar nicht
lustig und sagte: »Dieser Mann ist tot. Wenn Sie das nicht ernst nehmen können,
sind Sie schlichtweg unmenschlich.«
»Ach, jetzt
kommt wieder dieser Vorwurf, wir wären Unmenschen«, sagte ich zu Tolliver.
»Als ob wir
das nicht schon unzählige Male gehört hätten«, meinte er.
»Ich weiß,
was Sie tun«, sagte der Agent. »Und Sie sind gut darin, das muss ich Ihnen
lassen. Waren die Steine im Grab, als Sie die Leiche entdeckten?«
»Wir haben
die Leiche nicht entdeckt«, log ich frech.
»Es waren
große Steine. Groß genug, um damit einem Menschen den Schädel einzuschlagen«,
sagte Koenig. »Meiner Meinung nach musste der Mörder deshalb noch mal
wiederkommen. Er brauchte ein paar richtig große Gesteinsbrocken. Er hat sie so
ins Grab geworfen, dass sie auf Nunleys Kopf landeten - was bestimmt nicht
gleich beim ersten Mal geklappt hat. Der Mörder wollte, dass es so aussieht,
als ob Nunley gestolpert und ins offene Grab gestürzt sei. Aber wir sind uns
ziemlich sicher, dass das nicht passiert ist. Dr. Nunley wurde
höchstwahrscheinlich ermordet.«
»Tata. Wo
bleibt der Tusch?«, rief ich höhnisch. Er tat gerade so, als hätte er die
Entdeckung des Jahrhunderts gemacht.
»Ich weiß,
dass Sie das in Ihrem Inneren sehr wohl ernst nehmen«, sagte Koenig gelassen.
»Ich weiß auch, dass ich so schnell wie möglich verschwinden soll, damit Sie
miteinander reden können. Ich möchte Ihnen nur sagen, dass ich für weitere
Gespräche zur Verfügung stehe. Falls Sie sich an irgendwas erinnern, begreifen
Sie sicherlich, dass wir das wissen müssen.« Er erhob sich dermaßen mühelos,
dass ich fast neidisch wurde.
»Natürlich«,
sagte Tolliver und stand ebenfalls auf. »Wir melden uns.« Er zögerte. »Ich weiß
es sehr zu schätzen, dass Sie den Fall unbedingt lösen wollen. Er hat auch Harper sehr zu schaffen gemacht.« Er sah mich an, und ich
nickte. Obwohl wir es kaum erwarten konnten, dass Koenig endlich ging, war das
eine deutlich freundlichere Befragung gewesen, als wir sie sonst bei jemandem
mit Dienstmarke erlebt hatten.
Nachdem sich
die Tür hinter Koenig geschlossen hatte, rührte sich Tolliver eine ganze Weile
nicht von der Stelle. Dann drehte er sich mit hochgezogenen Brauen zu mir um.
»Das war
außergewöhnlich«, gab ich zu.
»Das Dumme
daran, dass er einigermaßen nett ist, ist, dass ich ihn nur ungern anlüge«,
meinte mein Bruder. »Das Gute daran ist, dass er uns wertvolle
Weitere Kostenlose Bücher