Harrison, Kim - Hollows 7 - Blutkind
Ich musste es irgendwie auf den Speicher schaffen, ohne dass meine Mom es mitbekam. Mir einen Geist zu schnappen, um dafür zu sorgen, dass ein Dämon mit mir sprach, klang nicht mal in meinen Ohren besonders sicher.
Also benutzte ich meine perfekte Ausrede, als ich meinem Bruder den letzten Teller gab. »Mom«, sagte ich und trocknete mir die Hände ab, »sind meine Stofftiere noch auf dem Speicher? Ich habe jemanden, dem ich sie schenken will.«
Robbie zuckte zusammen, und meine Mom strahlte. »Ich glaube schon. Wem denn? Ceris kleinem Mädchen?«
Ich gönnte mir einen überlegenen Blick zu Robbie, dann setzte ich mich meiner Mom gegenüber an den Tisch. Wir wussten seit letzter Woche, dass Ceri ein Mädchen bekommen würde, und meine Mom war so begeistert als wäre es ihr eigenes Enkelkind. »Nein«, sagte ich und spielte an meiner Tasse herum. »Ich will sie ein paar Kindern im Kindertrakt des Krankenhauses schenken. Ich habe die Brut gestern kennengelernt.
Die Fälle, die mehr Zeit dort verbringen als zu Hause. Es erscheint mir einfach richtig. Du glaubst nicht, dass es Dad etwas ausmachen würde, oder?«
Das Lächeln meiner Mutter wurde strahlend. »Ich denke mal, er würde es genauso richtig finden.«
Voller Tatendrang stand ich wieder auf. Endlich konnte ich etwas tun. »Macht es dir was aus, wenn ich sie jetzt hole?«
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»Geh nur. Und wenn du noch etwas dort oben findest, was du haben willst, bring es gleich mit.«
Bingo! Mit ihrer Blankovollmacht zum Stöbern war ich schon im Flur, bevor sie mir hinterherrief: »Ich verkaufe das Haus, und ein leerer Speicher verkauft sich besser als ein voller.«
Hä?
Die Schnur, mit der man die Leiter zum Speicher runterzog, rutschte mir durch die Finger, und die Deckenluke knallte wieder zu. Ich konnte nicht glauben, dass ich sie richtig verstanden hatte, und ging zurück in die Küche. Robbie lehnte am Herd, hielt eine Tasse in der Hand und feixte. Plötzlich sah ich die gezierte Konversation meiner Mom heute Abend in einem völlig neuen Licht. Ich war nicht die Einzige, die schlechte Nachrichten verheimlichte. Scheiße.
»Du verkaufst das Haus?«, stammelte ich und las die Wahrheit in ihrem ausweichenden Blick. »Warum?«
Sie holte einmal tief Luft und sah auf. »Ich ziehe für eine Weile an die Westküste. Es ist keine große Sache«, sprach sie schnell weiter, als ich zu einem Protest ansetzte. »Es wird einfach Zeit, etwas zu verändern.«
Ich kniff die Augen zusammen und drehte mich zu Robbie um. Gott! Er sah ekelhaft selbstzufrieden aus, wie er da an der Arbeitsfläche lehnte. »Du … selbstsüchtiges Mistvieh!«, meinte ich wütend. Er lag ihr schon seit Jahren damit in den Ohren, umzuziehen, und jetzt hatte er seinen Willen durchgesetzt.
Meine Mom zuckte verlegen zusammen, und ich zügelte meine Wut und drängte sie zurück, bis zu einem Zeitpunkt, wo er und ich einmal allein waren. Das war das Haus, in dem wir aufgewachsen waren. Mit diesem Haus waren meine Erinnerungen an Dad verbunden, im Garten stand der Baum, den ich mit seiner Asche gepflanzt hatte. Und jetzt sollte ein Fremder es bekommen? »Entschuldigt mich«, meinte ich steif, »ich muss einiges vom Speicher holen.«
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Wütend stampfte ich in den Flur. »Ich werde mit ihr reden«, hörte ich Robbie sagen und schnaubte sarkastisch. Ich würde reden, und er würde zuhören.
Dieses Mal zog ich die Treppe ganz nach unten und machte das Licht an. Ich musste plötzlich an Pierce denken. Er hatte den Speicher für mich geöffnet, als ich nach dem Kraftlinienzeug von meinem Dad gesucht hatte, um gleichzeitig ein Mädchen und Pierces Seele zu retten. Zumindest hatten wir das Mädchen gerettet.
Kälte schlug mir entgegen, als Robbie in den Flur kam. Ich stampfte die Treppe hinauf, ohne ihn anzuschauen. Kühle Stille empfing mich, tat aber nichts dazu, mich zu beruhigen. Der Raum wurde von einer einzelnen Glühbirne beleuchtet, die hinter den aufgestapelten Kisten und in den dunklen Ecken hinter den Pfeilern Schatten erzeugte. Ich runzelte die Stirn und beschloss, dass irgendjemand vor nicht allzu langer Zeit hier oben gewesen sein musste. Hier standen weniger Kisten als gedacht.
Dads Zeug fehlte, und ich fragte mich, ob Robbie wohl alles weggeschmissen hatte, um mich davon abzuhalten, es zu benutzen.
»Selbstsüchtiges Mistvieh«, murmelte ich, dann streckte ich die Hand nach der obersten Kiste mit Stofftieren aus. Ich hatte die Tiere eines nach dem anderen gesammelt, während meiner
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