Harry Bosch 07 - Dunkler als die Nacht
bezahlt.«
»Sie arbeiten doch gar nicht für mich. Sie arbeiten für Bosch. Strafzettel gehen auf seine Rechnung. Der Sheriff zahlt bloß Pfannkuchen.«
»Na schön. Dann werde ich mal.«
»Rufen Sie mich wieder an.«
Er schob das Handy in die Tasche seiner Windjacke und betrat Valentino Bonds.
Hinter der Glastür befand sich ein kleiner, weiß gestrichener Raum mit einer Wartecouch und einem Schalter. Er erinnerte McCaleb an die Rezeption eines Motels. An der Wand hing ein Kalender mit einer Strandszene aus Puerta Vallarta. Der Mann, der hinter dem Schalter saß, blickte nicht von seinem Kreuzworträtsel auf. Die geschlossene Tür hinter ihm führte vermutlich in ein Büro. McCaleb setzte ein Lächeln auf und ging zielstrebig hinter den Schalter.
»Rudy? Wo steckst du, Rudy?«
Erst jetzt sah der Mann hinter dem Schalter auf. Aber McCaleb war bereits an ihm vorbei und öffnete die Tür. Er trat in ein Büro, das mehr als doppelt so groß war wie der Empfang.
»Rudy?«
Der Mann kam ihm direkt hinter ihm in den Raum.
»Hey, Sie da, was machen Sie hier?«
McCaleb drehte sich einmal um seine eigene Achse und blickte sich im Raum um.
»Ich suche Rudy. Wo steckt er?«
»Er ist nicht hier. Wenn Sie jetzt bitte –«
»Er hat gesagt, er würde hier sein, er müsste heute erst später ins Gericht.«
Als er sich im Büro umsah, stellte er fest, dass an der Rückwand zahlreiche gerahmte Fotos hingen. Er trat einen Schritt näher. Auf den meisten war Tafero mit Prominenten zu sehen, für die er entweder als Sicherheitsberater gearbeitet oder die er gegen Kaution aus dem Gefängnis geholt hatte. Einige der Fotos stammten eindeutig aus der Zeit, als er noch auf der anderen Straßenseite Dienst geschoben hatte.
»Entschuldigung, aber wer sind Sie eigentlich?«
McCaleb sah den Mann beleidigt an. Seinem Aussehen nach zu schließen, hätte er Taferos jüngerer Bruder sein können. Die gleichen dunklen Augen und Haare, das gleiche kantige Gesicht.
»Ich bin ein Freund von ihm. Terry. Wir haben zusammengearbeitet, als er noch bei der Polizei war.«
McCaleb deutete auf ein Gruppenfoto an der Wand. Darauf waren mehrere Männer im Anzug und ein paar Frauen zu sehen, die vor der Backsteinfassade der Hollywood Station standen. Die Detectives. In der hinteren Reihe entdeckte McCaleb sowohl Harry Bosch als auch Rudy Tafero. Boschs Gesicht war leicht von der Kamera abgewandt. In seinem Mund steckte eine Zigarette und der davon aufsteigende Rauch verdeckte Teile seines Gesichts.
Der Mann begann ebenfalls, das Foto zu betrachten.
McCaleb ließ den Blick noch einmal durch den Raum wandern. Er war schön eingerichtet, mit einem Schreibtisch auf der einen Seite und einer Sitzgruppe mit zwei kleinen Couches und einem Perserteppich auf der anderen. Er ging auf den Schreibtisch zu, um sich die Akte anzusehen, die auf der Schreibunterlage lag. Aber obwohl sie mindestens drei Zentimeter dick war, stand nichts auf dem Etikett des Ordners.
»Was soll der Scheiß? Auf dem Foto sind Sie doch gar nicht drauf.«
»Klar bin ich drauf«, sagte McCaleb, ohne sich vom Schreibtisch abzuwenden. »Ich habe geraucht. Deshalb ist mein Gesicht nicht zu erkennen.«
Rechts von der Schreibunterlage war ein Aktenbehälter voll mit Ordnern. McCaleb legte den Kopf auf die Seite, um die Namen auf den Etiketten zu lesen. Es waren ein paar von Entertainern und Schauspielern darunter, von denen jedoch keiner in Zusammenhang mit seinen Ermittlungen stand.
»Quatsch. Das sind nicht Sie. Das ist Harry Bosch.«
»Tatsächlich? Kennen Sie Harry?«
Der Mann antwortete nicht. McCaleb drehte sich zu ihm um. Der Mann sah ihn mit wütenden, misstrauischen Blicken an. Erst jetzt bemerkte McCaleb, dass er einen alten Totschläger in der Hand hielt.
»Lassen Sie mich mal sehen.«
Er ging zu dem gerahmten Foto und sah es noch einmal an.
»Tatsächlich, Sie haben Recht, das ist Harry. Dann war ich wohl auf dem, das sie das Jahr zuvor aufgenommen haben. Ich habe als V-Mann gearbeitet, als sie das hier aufgenommen haben, und konnte deshalb nicht mit aufs Foto.«
Lässig machte McCaleb einen Schritt in Richtung Tür. Innerlich machte er sich jedoch darauf gefasst, mit dem Totschläger eins übergezogen zu bekommen.
»Richten Sie ihm einfach aus, dass ich hier war, ja? Sagen Sie ihm, Terry hat vorbeigeschaut.«
Er schaffte es zur Tür, aber dann stach ihm ein letztes gerahmtes Foto ins Auge, auf dem Tafero und ein anderer Mann eine Holztafel in der Hand hielten.
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