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Hassbluete

Hassbluete

Titel: Hassbluete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agnes Kottmann
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heißt. Ich wohne doch schon so lange hier.«
    »Das wird schlimm für die Richters«, sagte Frau Mitschke, die direkt neben Robins Eltern wohnte.
    »Hat denn niemand irgendwas gesehen?«, wandte sich Lisa verzweifelt an die Umstehenden. Alle schüttelten den Kopf. »Ich bin gerade erst von der Arbeit gekommen. Mein Gott wäre ich doch nur früher zu Hause gewesen!« Sie schluchzte wieder.
    Ich runzelte die Stirn. Hatte ich sie nicht vorhin im Treppenhaus gesehen? Sie musste zumindest kurz in der Wohnung gewesen sein. Meine Gedanken überschlugen sich und plötzlich fiel es mir ein. Das Parfüm! Pfirsich und Vanille. Andy Dream! Das Parfüm meiner Mutter und dieser Frau am Bahnhof mit dem Strohhut und der Sonnenbrille. Die Frau, die eben hier gewesen war, roch nach Andy Dream . Sie war die Frau vom Bahnhof. Sie musste es sein! Mit einem Mal war ich mir vollkommen sicher.
    Niemand von den Gaffern war scheinbar bereit zu gehen, bevor nicht Polizei und Krankenwagen eingetroffen waren.
    Da endlich kam Mike angelaufen und ich wäre am liebsten sofort auf ihn zugestürzt. Um ihn zu fragen, was er mit Robin noch gesprochen hatte und um … ich weiß nicht, was. Vielleicht, um in all diesem Wahnsinn einen Halt zu finden.
    Er näherte sich aus der Durchfahrt vom Innenhof, nicht aus Richtung des Bungalows. Janni und Daniel kamen mit Kristin vom Spielplatz herbeigelaufen. In der Ferne war jetzt das Martinshorn zu hören und Mike gab mir ein Zeichen. Ich verstand nicht, was er wollte. Er wusste ja noch nicht mal, was passiert war.
    Ich sah, dass meine Mutter Mikes Mutter umarmte und ihr mit der flachen Hand über den Rücken strich, als sei Mike gestorben und nicht Robin. Wann die beiden aufgetaucht waren, hätte ich nicht mehr sagen können.
    Lisa kniete immer noch neben ihrem Sohn und war nicht von ihm wegzubewegen. Mindestens drei Leute hielten ihr gleichzeitig ein Papiertuch hin. Ich nahm eins davon, bückte mich zu Lisa hinunter und reichte es ihr. Ich hatte damit gerechnet, dass sie mich vorwurfsvoll angucken würde, aber sie schaute nicht einmal auf, nahm nur das Taschentuch und wischte mechanisch Tränen, Dreck und Make-up von Gesicht und Händen.
    Mike war plötzlich hinter mir, die Sirene wurde lauter. Er zog mich hoch, nahm sogar meine Hand. Ich sah verwirrt zu ihm. »Komm weg«, sagte er leise und machte eine Kopfbewegung in die andere Richtung.
    »Ich hab ihn gefunden, Frau Mitschke und ich. Ich muss bestimmt warten, bis die Polizei kommt«, sagte ich widerstrebend.
    »Nein, es ist besser so. Sonst gibt es noch Ärger. Komm jetzt!«, zischte er zurück.
    Als Mike und ich die Haustür erreichten, war Daniel schon da und schloss auf. Ich hatte für alle einen Schlüssel nachmachen lassen, damit jeder von uns jederzeit in den Keller konnte.
    Ich drehte mich noch mal um, aber niemand achtete auf uns. Wir nahmen die Treppe, nicht den Aufzug. Im Treppenhaus waren immer weniger Leute. Trotzdem redeten wir kaum, bis wir im Keller waren.
    Den Kellerschlüssel trug ich nie an meinem Schlüsselbund, sondern immer im Stiefel, genauso wie das Handy. So spürte ich den Vibrationsalarm am Knöchel. Die Stiefel waren mein Markenzeichen und Ein und Alles. Ich trug sie auch im Sommer, egal wie warm es war. Sie waren aus rot-schwarzem Schottenkaro-Stoff und man musste sie vorn zusammenbinden wie eine Korsage. Dazu hatte ich meistens Rock und T-Shirt an oder Röhrenjeans, die in die Stiefel passten.
    Ich zog ihn heraus und schloss auf. Der ursprüngliche Schlüssel hatte damals irgendwann einfach von außen in der Kellertür gesteckt, als der Mieter ausgezogen war. Ich hatte ihn an mich genommen – keine Ahnung, ob der Typ deshalb Probleme bekommen hatte. Leer geräumt hatte er den Keller jedenfalls nicht. Es stand noch sein Schlagzeug drin, von dem allerdings nur noch die große Trommel und die Tom-Toms heile waren. Dazu ein uraltes halb zerfallenes Sofa, ein Sessel, ein Karton mit Büchern und Schallplatten und jede Menge Müll, den wir nach und nach entsorgt hatten. Und da die dazugehörige Wohnung immer noch leer stand und hier so schnell hoffentlich niemand neue Besitzansprüche anmeldete, hatten wir den Keller für uns ein bisschen hergerichtet.
    »Janni kommt gleich«, sagte Daniel, aber erst, nachdem wir die Tür hinter uns geschlossen hatten. »Sie bringt schnell noch Krissi nach Hause, die sollte das alles nicht sehen.« Wir standen alle einen Moment schweigend herum, keiner wusste, was zu sagen oder zu tun war. Schließlich

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