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Havelgeister (German Edition)

Havelgeister (German Edition)

Titel: Havelgeister (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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an ihren Schultern zu drücken begann, neben sich ab.
    »Sie jagen mich in Brandenburg und nicht hier. Dein Vater wird nicht direkt vor seiner Haustür nach mir suchen lassen.«
    Lara kniff, für Kevin im Halbdunkel der Mühle kaum erkennbar, die Augen zusammen. Das klang wirklich nach einem Plan. Aber konnte der allein von Kevin stammen? »War das schon ein Plan, den du mit Nepomuk gemacht hast, falls die Domgeschichte schiefgeht?«
    Kevin drehte sich zur Seite. Er hüllte sich in beleidigtes Schweigen.
    Lara zog den Reißverschluss des Rucksacks auf und tat das, was ihre Mutter auch immer tat, wenn ihr Vater schmollte. Sie holte den Wein und den Käse heraus und legte beides zwischen sich und Kevin auf den Holzboden der alten Mühle.
    Und tatsächlich, wie sich doch alle Männer glichen. Kevin drehte sich um und griff nach dem Wein.

18
    »Sind dir die Rasierklingen ausgegangen? Ist man von dir so nicht gewohnt, Signore Manzetti.« Bremer strich ihm mit seinem dünnen Zeigefinger über das Kinn.
    Noch bevor Manzetti darauf etwas entgegnen konnte, kam Harald angerannt, Bremers Assistent, und hielt eine Hand als Schalltrichter neben den Mund. »Es geht los«, rief er und verschwand sofort wieder.
    Auf dem Flur von Bremers Totenreich schlängelte Manzetti sich an zahllosen Kisten und Vitrinen vorbei. Als sie das Büro erreichten, lief der Fernseher bereits, und eine Sprecherin kündigte bei NTV die nun folgende Pressekonferenz an, während am unteren Bildrand eine Endlosschleife die Spielergebnisse der amerikanischen Basketballliga anzeigte. Manzetti erkannte gerade noch, dass die Dallas Mavericks verloren hatten.
    »Will irgendwer was trinken?«, fragte Bremer, der sich die Fernbedienung genommen hatte und den Ton zuschaltete.
    Manzetti und Harald gingen auf die Frage nicht ein. Die flimmernde Kiste hatte sie schon in ihren Bann gezogen. Die Kamera schwenkte gerade auf das Podium im großen Besprechungsraum der Polizeidirektion. In der Mitte saßen der Innenstaatssekretär, links von ihm der Polizeipräsident sowie Ole Claasen. Die Stühle rechts vom Staatssekretär waren noch leer. Offensichtlich wartete man auf die fehlenden beiden Herren. Als die Kamera zurückzoomte, marschierten sie auch schon durch das Bild.
    »Wer sind die beiden Männer?«, fragte Manzetti.
    »Der erste ist Thomas Böttger«, behauptete Harald, ohne seine Augen vom Fernseher abzuwenden. »Den zweiten kenne ich nicht.«
    Manzetti tippte Bremer auffordernd an die Schulter.
    »Ich auch nicht«, entgegnete der. »Will nun jemand etwas trinken? Ich hole mir jetzt einen Grauen Burgunder.«
    »Ich auch«, winkte Manzetti Bremer hinterher und konzentrierte sich gleich wieder auf die laufenden Bilder bei NTV.
    Böttger und der Fremde waren mittlerweile hinter ihren Stühlen angekommen. Der Staatssekretär erhob sich und gab ihnen die Hand. Dann stellten Böttger und der Fremde ihre Namensschilder vor sich auf den Tisch und setzten sich.
    Manzetti versuchte krampfhaft etwas auf dem Schild zu entziffern, aber das ließ die Kameraeinstellung nicht zu. Es war zum Verrücktwerden. Endlich aber bequemte sich die Regie und ließ den fremden Mann näher heranholen.
    Manzetti las laut vor: »Professor Gerbrand Weißenstein; Universität Leipzig. Wer ist das?«, fragte er. »Und was macht ein Professor aus Leipzig hier in Brandenburg?« Er drehte den Kopf und suchte Bremer. »Ist das jemand aus deiner Gilde?«
    Bremer, der gerade wieder ins Büro gekommen war und zwei Weingläser balancierte, als wären sie voller Nitroglyzerin, blieb stehen und sah zum Fernseher.
    »Weißenstein … Nö, habe ich noch nie gehört.«
    Dann begann die Pressekonferenz. Der Staatssekretär begrüßte die Anwesenden und übergab unerwartet schnell an den Polizeipräsidenten, der einen Stoß weißer Blätter vor sich ordnete. Aber auch der Präsident hatte nicht viel zu sagen, verwies lediglich mit einer ausholenden Armbewegung auf Professor Weißenstein.
    Die Spannung wuchs sowohl in der Polizeidirektion als auch bei den drei Männern in Bremers Büro.
    Der kleine, schmallippige Mann, der ein graues Tweedsakko trug und ansonsten aussah wie ein Sachbearbeiter aus der Registratur des Amtes Posemuckel, schaute zum Präsidenten und zog dann das Mikrophon dichter zu sich heran. Man konnte das Knistern im Saal spüren. Wie im Theater räusperte sich schnell noch jemand, ein Weiterer fiel mit ein. Dann herrschte Totenstille.
    Bremer reichte Manzetti das Glas und bewegte stumm die Lippen:

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