Hawaii
ahnte, ging zu seiner Mutter und flüsterte ihr zu, daß sie sich bedecken sollte, da Amerikaner den Anblick des menschlichen Körpers haßten. Die große, ausgestreckt daliegende Frau war einverstanden und befahl ihm begeistert: »Sag ihnen, daß ich mich von nun an wie sie anziehen will.« Aber noch ehe Keoki die Worte übersetzen konnte, bat sie auch schon leise Kapitän Janders, ihr ein offenes Feuer zu verschaffen. Als ihr dann eine Pfanne mit brennender Kohlenglut gebracht wurde, nahm sie den Tapa-Stoff, den sie bisher auf dem Leib getragen hatte, und warf ihn nach und nach in die Flammen. Als alles verbrannt war, sagte sie großartig: »Jetzt werde ich mich wie die neuen Frauen anziehen.«
»Wer soll Euer Kleid machen?« fragte Abner.
Gebieterisch deutete Malama auf Jerusha und Amanda: »Du und du.«
»Sagt ihr, daß ihr euch sehr darüber freut«, flüsterte Abner rasch, und die beiden Missionarsfrauen verbeugten sich mit den Worten: »Wir werden Euer Kleid machen, Malama. Aber wir haben nicht genug Stoff, denn Ihr seid eine sehr große Frau.«
»Verärgert sie nicht«, warnte Abner, aber Malama hatte mit ihrem raschen Verstand die Bedenken in Jerushas Worten durchschaut und lachte. »All eure Kleidchen«, rief sie und machte eine große Bewegung mit der Hand, »all eure Kleidchen geben nicht genug Stoff her für mein Kleid.« Dann befahl sie ihren Dienern, einige Bündel aus dem Kanu zu holen, und alsbald wurde vor den erstaunten Augen der Missionarsfrauen Meter um Meter der feinsten chinesischen Stoffe aufgelegt. Schließlich entschied Malama sich für ein strahlendes Rot und ein freundliches Blau, deutete auf das Hauskleid, das Amanda Whipple trug, und verkündete: »Wenn ich an Land zurückkehre, werde ich so gekleidet sein.«
Nachdem sie diesen Befehl gegeben hatte, schlief sie ein, während Diener mit Wedeln ihre nackte Körpermasse vor den Fliegen schützten. Als sie erwachte, fragte Kapitän Janders, ob er ihr etwas von der Schiffsnahrung anbieten dürfte. Aber sie lehnte hochmütig ab und befahl ihren Dienern, große Kürbisschalen voll Essen aus dem Kanu zu heben. Und während die Missionarsfrauen über dem zeltartigen Kleid schwitzten, das sie zusammennähten, genoß sie ein Mahl aus geröstetem Schweinefleisch, Brotfrucht, gebratenem Hundefleisch und saftigem Taro-Mark. Zwischen den Gängen der Mahlzeit klopften ihr die Diener nach dem uralten Massageritual den Magen, damit sie mehr vertilgen konnte, und während auf diese Weise das Essen in ihrem vollen Leib hin- und hergeschoben wurde, grunzte sie behaglich.
Keoki erläuterte stolz: »Die Alii Nui wird riesige Mengen verschlingen, fünf- oder sechsmal am Tag, damit die Leute
schon von weitem sehen können, daß sie eine große Frau ist.«
Bis in den Abend nähten die Missionarsfrauen, und ihre Männer beteten, daß Malama sie wohl aufnehmen und ihnen erlauben würde, in Lahaina eine Mission zu gründen. Die Besatzung der THETIS betete währenddessen nicht weniger andächtig, daß die Missionare wie die fette Frau bald das Schiff verlassen möchten, damit die Mädchen, die schon am Strand begierig warteten, zur Brigg hinüberschwimmen und hier ihr gewohntes Spiel beginnen könnten.
Am nächsten Morgen um zehn war das mächtige rote und blaue Kleid fertig, und Malama nahm es entgegen, ohne sich bei den Missionarsfrauen auch nur im geringsten zu bedanken, denn sie lebte in einer Welt, in der alle anderen außer ihr Diener waren. Wie eine Zeltplane über einem Heuhaufen wurde ihr das Kleid über den Kopf gezogen und die Fülle langer schwarzer Haare über den Kragen geschlagen. Die Knöpfe wurden geschlossen, die Taille ein wenig verändert, und die große Alii Nui sprang ein paarmal auf, damit sich ihr Leib an ihre seltsame neue Kleidung gewöhnte. Dann lächelte sie über das ganze Gesicht und sagte zu ihrem Sohn: »Nun bin ich eine Christin.« Zu den Missionaren gewandt, fuhr sie fort: »Wir haben lange auf euch gewartet. Wir wissen, daß es eine bessere Lebensweise gibt, und wir erwarten Instruktionen von euch. In Honolulu lehren die Missionare die Leute schon lesen und schreiben. In Maui werde ich euer erster Schüler sein.« Sie zählte etwas an ihren Fingern ab und verkündete dann: »In einem Monat, denk daran, Keoki, werde ich meinen Namen schreiben und nach Honolulu schicken.. mit einer Botschaft.«
Es war ein Augenblick großer Entscheidungen, und alle auf der THETIS waren von dem Ernst und der Entschlossenheit der mächtigen
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