Hawaii
erkundigte sich Abner. »Ja«, antwortete Keoki. »Unser Anwesen hat neun oder zehn kleine Häuser. Wie schön sieht es vom Meer aus.«:
»Was ist denn das für ein Steinhaufen?« fragte Abner. »Dort wohnen die Götter«, sagte Keoki einfach.
Erschreckt starrte Abner auf den eindrucksvollen Altar. Er konnte sehen, wie das Blut der heidnischen Riten daran herabtroff. »Gott, behüte uns vor den bösen heidnischen Sitten«, murmelte er und fragte dann flüsternd: »Werden dort die Opfer...«
»Dort?« lachte Keoki. »Nein. Da wohnen nur die Familiengötter.« Abner war entrüstet über das Gelächter des Jungen. Ihm kam es seltsam vor, daß Keoki, solange er in NeuEngland zu Kirchengemeinden von den Schrecken Hawaiis sprach, vernünftige Ideen über die wahre Religion gehabt hatte, daß aber sein Glaube erheblich abstumpfte, als er sich seinem Heimatland näherte. »Keoki«, sagte Abner feierlich, »alle Götzenbilder sind Gott ein Greuel.«
Keoki wollte ausrufen: »Das sind ja keine Götzenbilder, keine Götter wie Kane und Kanaloa«, aber als ein wohlerzogener Sohn der Inseln wußte er, daß man seinem Lehrer nicht widerspricht, und so sagte er nur ruhig: »Es sind die freundlichen persönlichen Gottheiten meiner Familie. Zum Beispiel kommt manchmal die Göttin Pele dorthin und spricht zu meinem Vater...« Er wurde verlegen, als er daran dachte, wie seltsam das in den Ohren eines Fremden klingen mußte, und verschwieg, daß zuweilen auch Haifische an das Ufer schwammen, um sich mit Malama zu unterhalten. »Ich glaube nicht, daß Pastor Hale das verstehen würde«, gestand er sich betrübt. Zu hören, wie ein junger Mann, der hoffte, eines Tages ein geweihter Geistlicher zu werden, derart die heidnischen Bräuche verteidigte, war Abner unerträglich, und er wandte sich schweigend ab. Aber das erschien ihm feige, und so kehrte er sich wieder dem jungen Keoki zu und sagte ungerührt: »Wir werden diesen Altar entfernen müssen. In dieser Welt hat nur Gott oder der Götzendienst Platz. Es ist nicht Raum für beide.«
»Sie haben recht!« stimmte ihm Keoki herzlich zu. »Wir sind gekommen, um dieses alte Übel auszurotten. Aber ich fürchte, daß Kelolo uns nicht erlauben wird, den Altar zu entfernen.«
»Warum nicht?« fragte Abner eisig. »Weil er ihn aufgebaut hat.«
»Wieso?« wollte Abner wissen.
»Meine Familie lebte früher auf der großen Insel, Hawaii. Wir haben dort während unzähliger Generationen geherrscht. Es war mein Vater, der hierher nach Maui kam - einer von Kamehamehas treuesten Generalen. Kamehameha gab ihm den größten Teil von Maui, und das erste, was Kelolo tat, war, jenen Steinhaufen zu errichten, den Sie bemerkt haben. Er behauptet, daß Pele, die Vulkangöttin, dorthin kommt, um ihn zu warnen.«
»Die Plattform muß verschwinden. Pele gibt es nicht mehr.«
»Das große Backsteingebäude«, unterbrach ihn Keoki und deutete auf ein rohes Bauwerk an einer abgebrochenen Mole, die sich ins Meer vortastete, »ist Kamehamehas alter Palast. Dahinter liegt die königliche Taro-Pflanzung. Dann sehen Sie den Weg dort drüben? Da leben die ausländischen Matrosen. Ihr Haus wird wahrscheinlich auch dort errichtet werden.«
»Sind Europäer in dem Dorf?«
»Ja. Liederlinge, Trunkenbolde. Ich mache mir über sie viel
mehr Sorgen als über den Steinhaufen meines Vaters.«
Abner ignorierte diesen Hieb, denn sein Blick wurde auf eine der schönsten Ansichten Lahainas gelenkt. Hinter der Hauptstadt erhoben sich auf sanften Abhängen und durchschnitten von prächtigen Tälern die Berge von Maui bis zu ihren höchsten Spitzen und blickten majestätisch auf das nahe Meer herab. Abgesehen von den häßlichen Hügeln auf Feuerland hatte Abner noch nie zuvor etwas Ähnliches gesehen, und der Anblick dieser Berge in Verbindung mit dem Meer machte einen gewaltigen Eindruck auf ihn. So rief er aus: »Das ist das Werk des Herrn! Ich werde meine Augen zu diesen Bergen emporheben!« Sein Bedürfnis, dem Herrn, der all diese Schönheit erschaffen hatte, ein Dankgebet zu sagen, war so groß, daß er, als die kleine Missionarsgesellschaft den Strand von Lahaina betrat, sogleich eine Versammlung berief. Und nachdem er seine Frackschwänze glattgestrichen hatte, begann er mit erhobenem bleichem Gesicht zu beten: »Du hast uns durch die Stürme geführt und unsern Fuß auf dieses Heidenland gestellt. Du hast uns mit dem Auftrag betraut, diese verlorenen Seelen in Dein Kornhaus einzubringen. Wir sind dem Auftrag
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