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Hawaii

Hawaii

Titel: Hawaii Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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schenken, als dieser seinen Finger erhob und rief: »Malama, lerne nicht nur die Umrisse der Worte. Lerne auch das, was sie bedeuten!« Sein Benehmen war unerträglich, und mit einer Bewegung ihres riesigen rechten Armes, der dicker als sein ganzer Körper war, schlug sie ihn zu Boden. Dann kehrte sie wieder zu ihrem Stück Tapa zurück und schrieb mit wütendem Schwung ihren Namen.
    »Ich kann meinen Namen schreiben!« frohlockte sie, aber noch immer wurde sie von Abners eindringlichen Worten beunruhigt. So warf sie ihren Stab zu Boden und kniete neben Abner nieder, der gekrümmt auf der Matte lag. Sie betrachtete ihn lange und sagte sanft: »Ich glaube, du sprichst die Wahrheit, Makua Hale. Warte, Makua Hale, wenn ich zu schreiben gelernt habe, werde ich zu dir kommen.«
    Dann beachtete sie ihn nicht weiter und befahl Jerusha mit schmeichelnder Stimme: »Jetzt lehr mich schreiben.«
    Der Unterricht dauerte drei Stunden, bis Jerusha schwach wurde und aufhören wollte. »Nein!« sagte Malama. »Ich darf keine Zeit verlieren. Lehr mich schreiben!«
    »Mir wird schwindelig in der Hitze«, protestierte Jerusha. »Fächelt ihr Kühlung!« befahl Malama ihren Dienern, und als die junge Frau andeutete, daß sie dennoch aufhören müsse, beharrte Malama: »Hale Wahine, während wir die Zeit vergeuden, stehlen uns die, welche lesen und schreiben können, unsere Inseln. Ich kann nicht warten. Bitte.« Schließlich sagte Jerusha schwach: »Malama, ich bekomme ein Baby.« Als Keoki diese Worte übersetzte, ging mit der großen Alii Nui eine Verwandlung vor. Sie trieb Abner aus dem großen Zimmer und befahl ihren Dienern, Jerusha dorthin zu bringen, wo aus fünfzig Lagen feinsten Tapas ein Ruhelager aufgeschichtet war. Als Jerusha auf dem Bett niedergelegt wurde, tastete ihr Malama mit den Fingern rasch den Leib ab und murmelte: »Erst in vielen Monaten.« Da jedoch Keoki nicht im Zimmer war, konnte niemand diesen Schluß der weißen Frau mitteilen. Malama sah nun, wie Jerusha erschöpft war, und sie machte sich Vorwürfe wegen ihrer Unachtsamkeit. Sie rief nach Wasser und befahl, Jerushas bleiches Gesicht zu baden. Dann nahm sie Jerusha wie ein Kind in die Arme, wiegte sie in den Schlaf und legte sie behutsam wieder auf das Ruhebett. Leise erhob sie sich, ging auf Zehenspitzen zu dem wartenden Abner und fragte flüsternd: »Kannst du mir auch das Schreiben beibringen?«
    »Ja«, sagte Abner.
    »Lehr mich!« befahl sie und kniete neben dem kleinen amerikanischen Missionar nieder, als dieser umständlich begann: »Um meine Sprache zu schreiben, brauche ich sechsundzwanzig verschiedene Buchstaben. Aber Ihr seid glücklich, denn um Eure Sprache zu schreiben, braucht man nur dreizehn.«
    »Sag ihm, er soll mich die sechsundzwanzig lehren« trug sie Keoki auf.
    »Aber, um Hawaiisch zu schreiben, braucht man nur dreizehn«, beharrte Abner.
    »Lehr mich die sechsundzwanzig!« wiederholte sie sanft. »Ich möchte an deine Landsleute schreiben.«
    »A, B, C«, begann Abner und setzte den Unterricht fort, bis auch er in Ohnmacht fiel.
    Als die THETIS wieder in See stechen sollte, erschien fast die ganze Bevölkerung Lahainas, um Abschied von dem Schiff zu nehmen. Der Strand war bedeckt von nackten, braunen Leibern, und jede Bewegung der scheidenden Missionare wurde verfolgt. Schließlich versammelten sich die zwanzig Missionare, die nun an ihre verschiedenen Bestimmungsorte gebracht werden sollten, auf der kleinen Steinmole, um ihre Lieder voll Trauer und Hoffnung anzustimmen. Als sie mit ihren hingebungsvollen Stimmen >Ge segnet sei das Band< sangen, konnten die lauschenden Eingeborenen nicht nur eine einladende Melodie hören, sondern sie ahnten auch etwas von dem Geist des neuen Gottes, den Abner Hale und ihr eigener Keoki Kanakoa zu predigen begonnen hatten. Als das Lied von Tränen sprach, füllten sich alle Augen, und die ganze Versammlung begann zu schluchzen. In einem Fall war der Kummer nicht oberflächlich, sondern echt. Als Abner und Jerusha sahen, wie sich John Whipple zur Abfahrt rüstete, konnten sie ihre Besorgnis nicht verbergen, denn er war der einzige Arzt auf den Inseln, und ohne ihn mußte sich Jerusha, wenn ihre Stunde kam, allein auf jenes Wissen verlassen, das sich ihr jugendlicher Mann aus Whipples Büchern angelesen hatte. Whipple, der ihren Kummer ahnte, versprach: »Schwester Jerusha, ich werde alles tun, damit ich beizeiten wieder in Maui bin, um dir zu helfen. Aber denke daran, daß auf der anderen Seite der

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