Hawaii
angefüllt mit geduldigen, freundlichen Eingeborenengesichtern. Sie würden den ganzen Tag dort verharren in der Hoffnung, daß ich ihnen zeige, wie man näht, oder mit ihnen über die Bibel spreche. Malama hat mir versprochen, daß ich, nachdem sie lesen und schreiben gelernt hat, auch dem Volk darin Unterricht geben darf. Nur duldet sie nicht, daß vor ihr irgend jemand das Kunststück heraus hat. In den Unterrichtsstunden am Nachmittag erlaubt sie ihren Kindern und denen der anderen Alii dabeizusein, und ich glaube, daß ihre wunderschöne Tochter Noelani fast ebenso schnell lernt, wie Malama selbst. Mein lieber Gemahl hat große Hoffnung, daß sie die zweite ist, die er zum Christentum bekehren wird. Malama ist natürlich die erste. Esther, mein Liebling, kannst Du Dir das tiefe Staunen vorstellen, das das Gesicht eines Heiden erhellt, wenn die Wolken des barbarisch Bösen und des Unwissens vor ihm fortgezogen werden, so daß das reine Licht Gottes in seine suchenden Augen dringen kann? Ich will Dir nur erklären, liebste Schwester, welches höchste Glück ich in meiner Arbeit finde, und wenn auch das, was ich Dir nun sage -und ich kann es niemand sagen außer Dir, meine liebe Schwester -, sich wie Lästerung anhören mag, so ist mir doch, wenn ich in diesen segensreichen Tagen das Neue Testament auf schlage, als läse ich nicht über Philemon und die Korinther, sondern über Jerusha und die Menschen auf Hawaii. Ich fühle mich eins mit denen, die für unseren Meister arbeiteten, und ich kann nicht einmal meinem lieben Gemahl diese unbändige Freude mitteilen, die ich hier in meiner Grashütte und in dem täglichen Kreis von braunen Gesichtern erfahre. Deine Schwester in Gott, Jerusha.«
Während Jerusha Malama unterrichtet, hatte Abner Zeit, das Dorf zu durchforschen. Eines Tages bemerkte er, daß alle Männer und auch die kräftigeren Frauen nicht in Lahaina anzutreffen waren, und er konnte den Grund dafür nicht entdecken. Die Alii waren in ihren großen Anwesen südlich des königlichen Taro-Feldes. Man konnte sie beobachten, wie sie sich unter den schattigen Kou-Bäumen in ihren Gärten ergingen oder sich zum Strand begaben, um mit ihren Planken auf den Brandungswellen zu reiten. Alii zu sein, war schön, denn dann brauchte man lediglich riesige Kürbisschalen voll Speisen zu vertilgen, um groß zu werden, und Sport zu treiben, damit man bereit war, wenn ein Krieg ausbrach. Jahr um Jahr wurden die Alii gewaltiger und geschickter in ihren Spielen, während sie auf einen Krieg warteten, zu dem es nie mehr kam.
Aber ein Alii fehlte: Kelolo. Er hatte das Missionarsehepaar schon seit Tagen nicht mehr besucht. Er hatte zwar Speisen geschickt und drei Bretter, aus denen Abner ein rohes Regal zimmerte; aber er selbst war nicht erschienen, und das hinderte Abner sehr in seinen Plänen; denn nur Kelolo konnte ihm sagen, wo die Kirche errichtet werden sollte. Als Abners Ungeduld schließlich ihren Höhepunkt erreichte, entdeckte er, daß Kelolo am Rande des Dorfes war und eine tiefe, breite Grube aushob. Keoki war nicht in der Nähe, um zu übersetzen, als der Missionar zu der Grube kam, und Kelolo sagte nur >THETIS< und maß mit ausgestreckten Armen die Breite und Länge der Grube ab.
Abner war noch immer verwirrt, als er sah, wie ein Zug von mehr als zweitausend Männern und Frauen, eingehüllt in eine
Staubwolke, über den Strand daherkam. Sie wurden von königlichen Verwesern angetrieben und waren schwer beladen mit zwei Meter langen Holzbündeln, die sie mit Ranken zusammengebunden auf dem Rücken trugen. Das gelbliche Holz war anscheinend sehr wertvoll, denn wenn jemand ein kleines Stück fallen ließ, so schlug der scharfäugige Verweser den unachtsamen Träger und befahl einer der mitziehenden Frauen, das Herabgefallene wieder aufzulesen. Es war Sandelholz, wohlriechender als alles andere Holz, ein begehrter Artikel auf dem asiatischen Markt, das Lebensblut des Handels dieser Inseln, und von allen Amerikanern gesucht. Es war der Schatz und Fluch Hawaiis. Tief in den Wäldern verbarg sich dieser kaum zehn Meter hohe Baum mit seinem blaßgrünen Laub. Vor Jahren, als sein Wert noch nicht bekannt war, hatte man den Baum auch in den Niederungen gefunden. Aber jetzt waren alle leichter zugänglichen Bestände verschwunden. Sie waren von den Alii abgeholzt worden, für die der Baum kapu war. Kelolo mußte deshalb seine Leute, um die beiden Schiffsladungen Sandelholz zusammenzubekommen, für die er von Kapitän
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