Hawaii
hatte. Sie zog zum erstenmal Schuhe an - schwere Seemannsstiefel, die sie nicht zuschnürte - und bedeckte ihre vollen schwarzen Haare mit einem großen Strohhut aus Ceylon. Dann befahl sie ihren Dienern, frisches Tapa mit besonderer Sorgfalt auszubreiten, und nachdem das geschehen war, legte sie sich auf den Bauch, ließ sich befächeln und einen Bogen weißes Papier, ein Tintenfaß und eine chinesische Schreibfeder vor sich ausbreiten. »Jetzt werde ich schreiben!« verkündete sie und entwarf in einer sauberen, geübten Handschrift einen hawaiischen Brief für ihren Neffen in Honolulu: »Liholiho König. Mein Gemahl Kelolo arbeitet viel. Er will ein Schiff kaufen. Aloha. Malama.«
Als diese schwierige Aufgabe erfüllt war, stieß die mächtige Frau einen tiefen Seufzer aus und schob den Brief Jerusha und Abner zu. Dann kamen Frauen, um sie zu massieren, und sie lächelte stolz, als Jerusha sagte: »Ich habe noch nie einen Menschen gekannt, der so schnell lernt wie Malama.« Als ihr Keoki den Satz übersetzte, lächelte sie nicht mehr, schob die Lomilomi-Frauen fort und sagte: »In Kürze werde ich auch dem König von Amerika schreiben - in eurer Sprache -, ich werde alle sechsundzwanzig Buchstaben benutzen.«
»Das schafft sie!« sagte Jerusha stolz.
»Nun, kleine Tochter«, begann Malama, »du hast mich gut unterrichtet. Du sollst nun nach Hause gehen und dich ausruhen. Von jetzt an muß mich Makua Hale unterrichten.« Nachdem sie Jerusha entlassen hatte, rollte sie wieder auf ihren Bauch zurück, stützte ihr Kinn in die Hände, starrte Abner aufmerksam an und befahl: »Sprich von deinem Gott.« Abner hatte sich lange auf diesen weihevollen Augenblick vorbereitet und sich eine verständliche stufenweise Erklärung seiner Religion zurechtgelegt. Als er nun mit Keokis Hilfe zu sprechen begann, spürte er, wie diese mächtige Frau danach verlangte, alles zu wissen, was er wußte. So ging er mit besonderer Sorgfalt zu Werke, überlegte sich jedes Wort und befragte Keoki wegen der Übersetzung ins Hawaiische; denn er wußte, daß er, wenn er Malama für Gott gewann, gleichzeitig auch ganz Maui
gewonnen hatte. »Gott ist ein Geist«, sagte er vorsichtig.
»Kann ich ihn jemals sehen?«
»Nein, Malama.«
Sie dachte eine Weile darüber nach und sagte: »Gut, ich konnte auch Kane nicht sehen.« Dann fügte sie mißtrauisch hinzu: »Aber Kelolo hat oft seine Göttin Pele von den Vulkanen gesehen.«
Abner hatte sich geschworen, daß er sich nicht von seinem Thema abbringen lassen wollte. Er war nicht hier, um sich gegen Kelolos erbärmliche, abergläubische Vorstellung zu verteidigen. Er war hier, um von dem wahren Glauben zu sprechen, und er wußte aus Erfahrung, daß er sich, sobald er auf Kelolos Gottheiten zu sprechen kam, in unsinnige Diskussionen verstrickte. »Gott ist ein Geist, Malama«, wiederholte er. »Aber er schuf alles.«
»Hat er auch den Himmel geschaffen?«
Abner hatte sich diese Frage noch nie gestellt, aber er antwortete ohne zu zögern: »Ja.«
»Wo ist der Himmel?«
Abner wollte sagen, daß er im Geiste Gottes sei, aber er schlug den leichteren Weg ein und sagte: »Dort oben.«
»Bist du in deinem Herzen gewiß, Makua Hale, daß dein Gott mächtiger ist als Kane?«
»Ich kann die beiden nicht vergleichen, Malama. Und ich kann Euch Gott nicht erklären, wenn Ihr darauf besteht, ihn zu vergleichen. Und nennt ihn nicht meinen Gott. Er ist absolut.«
Das verstand Malama. Sie hatte schon die größere Macht der Weißen erfahren, und sie schloß daraus unmittelbar, daß auch der Gott der Weißen ihren eigenen Göttern überlegen sein mußte. Nun war sie zufrieden, diese Tatsache von Abner ausgesprochen zu hören. Auf dieser Grundlage war sie auch bereit, seine ganze Lehre anzunehmen. »Gott ist allmächtig«, sagte sie ruhig. »Aber warum brachte er uns die Syphilis und steckte unsere Mädchen damit an? Warum läßt er so viele von unseren Leuten in diesen Tagen sterben?«
»Die Sünde ist von Gott auf der Erde belassen worden, obwohl er allmächtig ist; denn es ist die Sünde, die den Menschen in Gottes Auge auf die Probe stellt.« Er hielt inne, und Malama befahl einem ihrer vielen Diener, auch von dem Missionar die Fliegen fernzuhalten. Nun wischten ihm weiche Federn über Stirn und Nacken. Wenn er auch für ihre Aufmerksamkeit dankbar war, so glaubte er doch, daß Malama diesen Befehl nur gegeben hatte, um Zeit für ihre Gedanken zu gewinnen. Deshalb sagte er rasch und blickte der
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