Hawaii
Enge getrieben werden sollte. Die Tränen rannen ihr über das Gesicht, und mit listigen Worten, die Abner nicht verstehen sollte, sagte sie zu Keoki: »Ich will nicht in der Hölle brennen. Deshalb mußt du Kelolo ein kleines Haus außerhalb der Umfriedung bauen. Aber fege den Weg gut, damit keine Blätter daraufliegen, und nachts kann er sich auf Zehenspitzen in mein Zimmer schleichen, ohne daß Gott ihn bemerkt.« Dann verkündete sie mit lauter Stimme: »Makua Hale, ich werde einen neuen Brief schreiben.«
Als sie wieder auf dem Fußboden ihres Palastes lag, zerriß sie ihre frühere Botschaft, nagte an ihrem Federhalter und schrieb:
»Liholiho König. Ich habe Kelolo gesagt, daß er draußen schlafen muß. Er kauft ein Schiff. Ich finde das eine große Dummheit. Deine Tante Malama.«
Sie gab Abner den Brief und sagte, nachdem er ihn gelesen hatte: »Morgen und übermorgen und an dem Tag darauf möchte ich, daß du hierherkommst und mit mir über die Pflichten einer Alii Nui sprichst. Nach einem Mond werde ich den Stand der Gnade finden.«
»So kann er nicht erreicht werden, Malama.«
»Wann werde ich ihn finden?«
»Vielleicht nie.«
»Ich werde ihn finden!« brüllte die mächtige Frau. »Du wirst morgen hierherkommen und mich lehren, wie ich ihn finde.«
»Das kann ich nicht, Malama«, sagte Abner entschlossen.
»Du - wirst - es - tun!« drohte sie.
»Niemand kann für einen andern die Gnade finden«, beharrte Abner trotzig.
Malama sprang mit erstaunlicher Gewandtheit auf ihre Füße und packte ihren kleinen Mentor bei den Schultern. »Wie werde ich die Gnade finden?« fragte sie herrisch.
»Wollt Ihr es wirklich wissen, Malama?«
»Ja«, antwortete sie und schüttelte ihn wie ein Kind. »Sag es mir!«
»Kniet nieder«, befahl er und tat es selbst, um ihr zu zeigen, wie man betet.
»Was tue ich jetzt?« flüsterte sie und wandte ihm ihre großen Augen zu.
»Schließt Eure Augen. Faltet Eure Hände zu einem Tempel und sagt: »Jesus Christus, mein Herr, lehre mich demütig zu sein und dich zu lieben.««
»Was ist demütig?« fragte Malama mit leiser Stimme.
»Demütig heißt, daß auch die größte Alii Nui in Maui nicht mehr ist als ein Mann, der Muscheln aus dem Fischteich sammelt«, erklärte Abner.
»Willst du sagen, daß selbst ein Sklave...«
»Malama«, sagte Abner mit düsterer Stimme, denn seine Vorstellung von Gottes Gesetz erschütterte ihn selbst, »mir scheint, daß der niedrigste Sklave, der gerade jetzt Sandelholz von den Bergen herabschleppt, eine größere Aussicht hat, das Heil zu finden, als Ihr.«
»Warum?« fragte die kniende Frau.
»Er kann stets zu Gott finden, weil er demütigen Geistes ist. Ihr aber seid stolz und streitsüchtig und unwillig, Euch vor Gott zu demütigen.«
»Auch du bist stolz, Makua Hale«, gab die gewaltige Frau zurück. »Demütigst du dich vor Gott?«
»Wenn er mir morgen sagte, ich sollte in die Wellen gehen, bis sie über mir zusammenschlagen, so würde ich es tun. Ich lebe für den Herrn. Ich diene dem Herrn. Der Herr ist mein Licht und mein Heil.«
»Ich verstehe«, sagte die Alii Nui. »Ich werde um Demut beten.« Und als er gegangen war, kniete sie noch immer und formte mit ihren Händen den Tempel des Gebets.
Während der nächsten Tage kam Abner nicht zu Malama, denn ein wüster Aufruhr tobte in Lahaina, und da Kelolo und die Männer fort waren, mußte Abner allein dagegen ankämpfen. Der Aufruhr begann, als drei Walfänger aus den japanischen Gewässern vor Anker gingen und achtzig Männer zu dem lange fälligen Urlaub an Land schickten. Zuerst suchten sie Murphys Kneipe auf und dann durchstöberten sie Lahaina. Sie schlugen nieder, wer ihnen in den Weg kam, vergewaltigten und mordeten sogar. Ermutigt durch das Ausbleiben der Polizei bildeten sie Gruppen und begannen die Häuser der Eingeborenen zu plündern.
Wenn sie Mädchen fanden, dann zerrten sie sie auf die Schiffe, ohne zu fragen, ob diese Mädchen zu den üblichen Besucherinnen der Walfänger gehörten oder nicht. Und so wurden viele treue Frauen jener Männer die auf der Sandelholzexpedition waren, von den Matrosen geschändet. Schließlich zog Abner seinen schwarzen Frack und seinen besten Stehkragen an, setzte seinen Zylinderhut auf und ging zur Mole hinunter. »Rudert mich hinaus zu den Walfängern!« befahl er einigen der alten Männer, die am Strand herumlungerten. Auf dem ersten Schiff entdeckte er, daß der Kapitän an Land gegangen war. Auf dem zweiten hatte sich
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