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Hawaii

Hawaii

Titel: Hawaii Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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einen lebendigen Leichnam. Gott nennt ihn eine unsterbliche Seele. Ich nenne ihn meinen Bruder. Er ist nicht länger ein Sklave. Er ist euer Bruder.« Und erregt von der Ungeheuerlichkeit dieses bilderstürmerischen Augenblicks beugte sich Abner vor und küßte den Mann auf die Wange. Dann ließ er ihn auf den Boden sitzen, nicht weit von Malama, der Alii Nui.
    Aber der Höhepunkt der Andacht kam nach einer Reihe von Chorälen, die Keoki leitete. Abner stand auf und verkündete in der dritten Stunde des Gottesdienstes: »Der Eintritt in das
    Königreich Gottes ist nicht leicht. Der Eintritt in seine Kirche hier auf Erden ist ebenfalls nicht leicht. Aber heute werden wir zweien unter euch erlauben, ihre halbjährliche Prüfungszeit anzutreten. Wenn sie sich als gute Christen erweisen, werden sie in die Kirche aufgenommen.« Eine Erregung breitete sich in der Gemeinde aus und Vermutungen, wer dieses auserwählte Paar sein könnte, wurden laut. Aber Abner gebot Schweigen, indem er die Hand hob und auf den großen, starken und anmutigen Keoki wies.
    »Euer vielgeliebter Alii, Keoki, wurde in Massachusetts zu einem Mitglied der Kirche. Er ist der erste Einwohner Hawaiis, der sich uns angeschlossen hat. Meine liebe gute Frau, die ihr als Lehrerin kennt, ist ebenfalls ein Mitglied. Ich auch und so Kapitän Janders. Wir vier haben uns zuammengetan und beschlossen, zwei andere unter euch für die Mitgliedschaft zu prüfen. Frau Hale, wollt Ihr euch erheben und den ersten vorstellen?« Jerusha stand von ihrer Bank an der Seite auf, ging zu den Plätzen, die für die Alii reserviert waren, beugte sich herab und nahm die Hand des Sklaven. In langsamem, vorsichtigem Hawaiisch sagte sie: »Dieser Kanaka Kupa ist in ganz Lahaina als ein heiliger Mann bekannt. Er teilt seine Güter mit den andern. Er sorgt für die Kinder, die ihre Eltern verloren haben.« Mit der eindringlichen Darstellung der außerordentlichen Tugenden dieses Mannes, den alle in Lahaina kannten, gab Jerusha der Versammlung eine logische Begründung für die Einsegnung des Sklaven. »In euren Herzen, Leute von Lahaina, wißt ihr, daß Kupa ein Christenmensch ist, und weil ihr es wißt, werden wir ihn in die Kirche Gottes aufnehmen.«
    Abner nahm Kupa bei der Hand und rief: »Kupa, seid Ihr bereit, Jehova zu lieben?« Der Sklave war so erschrocken von all den Erlebnissen, die die Missionare auf ihn einstürmen ließen, daß er nur etwas murmeln konnte. Dann verkündete Abner: »In sechs Monaten werdet Ihr nicht mehr Kupa, der faule
    Kadaver, sein. Ihr werdet Kamekona sein.« Und er gab dem Sklaven den hochgeschätzten Namen Salomon. Die Zuhörer waren verblüfft. Aber noch ehe irgendeine Stimme gegen diese radikale Neuerung laut werden konnte, sagte Abner mit seiner mächtigen und eindringlichen Stimme: »Keoki Kanakoa, erhebt Euch und bringt uns das zweite Mitglied der Kirche.«
    Keoki stand mit großer Aufregung und Freude auf, ging zu den Alii und nahm die Hand seiner Schwester Noelani, dem Schleier der Himmel. An diesem Morgen trug sie ein weißes Kleid, einen gelben Federkranz um ihr Haupt und weiße Handschuhe. Ihre dunklen Augen strahlten vor Reinheit, und sie bewegte sich, als hätte sich nicht ihr Bruder, sondern Gott selbst zu ihr herabgebeugt. Sie hörte das Flüstern der Eingeborenen, die ihre Wahl begrüßten, und dann bemerkte sie, daß Abner sich ihr zuwandte: »Ihr seid der Weisung Gottes gefolgt. Ihr habt nähen gelernt, denn alle Frauen, aus den Reihen der Alii wie des Volkes, sollten nähen können. Sagt nicht der Herrin der Bibel von dem tugendsamen Weib: >Sie geht mit Wolle und Flachs um und arbeitet gern mit den Händen.< Aber mehr als das, Noelani, seid Ihr eine Erleuchtung für diese Insel. In sechs Monaten werdet Ihr ein Mitglied dieser Kirche sein.«
    Mit ihrer lieblichen, wohltönenden Stimme antwortete Noelani: »Ich werde die Gelehrsamkeit und das Gesetz Jehovas zu meinem Führer machen.« Und Abner verbarg seinen Unmut darüber, daß die störrischen Alii immer noch zuerst auf dem Alphabet bestanden.
    An diesem Abend ließ Malama Abner kommen, und als er mit gekreuzten Beinen vor ihrer hingelagerten Körpermasse auf der Matte saß, begann sie feierlich: »Makua Hale, ich habe heute verstanden, was Demut heißt. Und ich habe, wenn auch ungenau, erkannt, was ein Stand der Gnade ist. Makua Hale, ich habe Kelolo in sein neues Haus hinausge schickt. Morgen bin ich bereit, einen Zug durch die Straßen zu führen und die neuen Gesetze von

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