Hawaii
der richtige. O ja, er würde einen guten Missionar abgeben. Er hält sich gern allein an sonderbaren Orten auf.«
Der Dorfgeistliche war nicht besser, und Pastor Thorn, der sich in den Weiten Afrikas abgehärtet hatte, bemerkte schnell, wo Abner das Weinen gelernt hatte. Der zittrige alte Mann krächzte: »Der kleine Abner Hale! Ich erinnere mich noch an das Jahr, als er Gott fand. Es geschah im Feld seines Vaters, und er stand wie angewurzelt...«
»Könnte ein guter Missionar aus ihm werden?« unterbrach ihn Thorn. »Missionar!« rief der alte Mann verblüfft. »Warum sollte er denn Marlboro verlassen? Warum kommt er nicht zurück und tritt an meine Stelle, wo er manches Gute tun könnte? Man sollte Missionare nach Marlboro schicken. Atheisten, Theisten, Unitarier, Quäker. Bald wird es in NeuEngland kaum noch einen Anhänger Calvins geben. Wenn Sie meine Meinung hören wollen, junger Mann, und ich lese Ihnen an dem geröteten Gesicht ab, daß Sie es nicht wollen, aber wie dem auch sei: Sie sollten nicht hierher kommen und unsere jungen Leute verführen, nach Ceylon und Brasilien zu gehen. Laßt sie hierbleiben und hier ihre Missionsarbeit leisten. Aber ich habe noch nicht auf Ihre Frage geantwortet. Abner Hale würde einen ausgezeichneten Missionar abgeben. Er ist sanft, aber auch eigensinnig an der richtigen Stelle. Er ist arbeitsam, aber auch poetisch in seiner Liebe zur Natur. Er ist fromm und ehrt seine Eltern. Er ist viel zu gut, um nach Ceylon geschickt zu werden.«
Auf dem staubigen Weg, der ihn zu Hales Farm führte, war Pastor Thorn drauf und dran, seinen schwierigen Plan aufzugeben. Wie konnte er den Ausschuß in Boston überzeugen, daß sie Abner annehmen sollten, wie konnte er seine Nichte Jerusha überzeugen, es auch zu tun, wenn alles, was er über diesen Jungen hörte, nur die Meinung des Komitees bestärkte, daß Abner ein schwieriger, von sich eingenommener junger Mann war, der nur Verwirrung stiften würde. Aber dann stieß der hagere Missionar auf das Elternhaus Abner Hales, und seine Ansicht wandelte sich schnell. Eine Reihe von Ahornbäumen, die entlang einem schmalen Pfad stand, führte von dem Weg zu einem alten Neu-England-Farmhaus mit angebauter Scheune. Fast hundertfünfzig Jahre lang war das Gebäude nicht gestrichen worden und stand jetzt graubraun in der Sonne, die nicht das, was ein schöner überwachsener Hof hätte sein können, überstrahlte, sondern nur die Düsternis des Hauses noch unterstrich. Es sind diese christlichen Häuser, dachte Pastor Thorn, der in einem ähnlichen groß geworden war, in denen wahre Frömmigkeit herangebildet wird.
Der harte, knochige Gideon Hale vervollständigte das Bild. Während er eines seiner mageren Beine so weit um das andere schlang, daß sich beide am Knöchel verknoteten, beruhigte er seinen Gast mit den Worten: »Wenn Sie Abner nach Owhyhee schicken, werden Sie kein reines Vergnügen haben. Er ist kein durchschnittlicher Junge, Herr Pastor. Er ist auch nicht gerade leicht zu behandeln. Er war ziemlich vernünftig bis zu dem Tag, da er bekehrt wurde. Von da an war er der festen Überzeugung, daß nur er Gottes Willen erklären könne. Aber er hat ungeheuer viel Charakter. Wenn Sie seine Zensuren in der Schule Marlboros durchsehen, werden Sie zwar bemerken, daß er anfangs ziemlich kümmerlich abschnitt. Aber haben Sie gesehen, was er am Yale-College geleistet hat? Nur das Beste. In vieler Hinsicht ist er ein recht mittelmäßiger Junge, Herr Pastor. Aber wo es um das Recht geht, ist er wie ein Fels. Alle meine Kinder sind das.«
Beim Abendessen sah Eliphalet Thorn die Sorte Granit, aus der Abner gehauen war. Die neun kleinen Hales kamen der Reihe nach mit sauberen Gesichtern und in die gröbsten Wollstoffe gekleidet herein und setzten sich gehorsam an einen Tisch, der sich durch makellose Reinheit und ein außerordentlich spärliches Mahl auszeichnete. »Wir wollen beten«, verkündete Gideon, und alle senkten die Köpfe. Ein Kind nach dem anderen sprach seinen Bibelvers, und Frau Hale, ein fast verloschenes Bündel Knochen, murmelte kurz: »Gott segne dieses Haus.« Dann folgte ein fünf Minuten langes Gebet von ihrem Mann. Nach diesen Vorbereitungen sagte Hale: »Und dürften wir nun unseren Gast bitten, uns mit einem Gebet zu segnen?« Und diese Szene erinnerte Pastor Thorn so sehr an seine eigne Kindheit, daß er zu einem zehn Minuten langen Segen ausholte, in dem er auch auf die Höhepunkte der Frömmigkeit seiner Jugend in einer
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