Headhunter
schweren
Persönlichkeitsstörung.«
»Unter
eins achtzig? Mein Gott, Roger, du bist nicht mal eins siebzig! Ich glaube,
unter der Persönlichkeitsstörung leidest eher du!«
Das
hatte gesessen. Nicht wegen der Persönlichkeit, da konnte sie durchaus recht
haben. Ich riss mich zusammen, damit meine Stimme ruhig klang:
»Warum
reagierst du denn so heftig, Diana? Ich hatte auch Hoffnungen in Clas Greve
gesetzt, aber es passiert immer wieder, dass Menschen uns enttäuschen und
unseren Erwartungen nicht entsprechen.«
»Aber
... aber du kannst dich doch irren. Ist das nicht auch möglich? Er ist der
richtige Mann!«
Ich
drehte mich zu ihr um und versuchte nachsichtig zu lächeln. »Hör mal, Diana,
ich bin in meinem Job wirklich einer der Allerbesten. Und bei diesem Job geht
es darum, Menschen einzuschätzen und auszuwählen. Es kommt vor, dass ich mich
im Privatleben mal irre ...«
Ich
bemerkte ein leichtes Zucken auf ihrem Gesicht.
»Aber
nie im Job. Nie.«
Sie
schwieg.
»Ich
bin todmüde«, sagte ich. »Ich habe gestern nicht so gut geschlafen. Gute
Nacht.«
Als
ich im Bett lag, hörte ich ihre Schritte. Ruhelos lief sie hin und her. Ich
konnte keine Stimmen vernehmen, wusste aber, dass sie immer so auf und ab ging,
wenn sie mit ihrem Handy telefonierte. Eine Angewohnheit, die besonders bei der
Generation ausgeprägt war, die ohne drahtlose Kommunikation aufgewachsen war.
Wir bewegten uns, wenn wir mit dem Handy telefonierten, als faszinierte es uns
noch immer, dass so etwas überhaupt möglich war. Irgendwo hatte ich gelesen,
dass der moderne Mensch sechsmal mehr Zeit für Kommunikation aufwendete als
seine Vorväter. Wir kommunizierten also mehr, aber war damit unsere
Kommunikation auch besser? Warum hatte ich Diana nicht mit meinem Wissen
konfrontiert, dass sie mit Clas Greve in dessen Wohnung gewesen war? Weil ich
wusste, dass sie mir die Gründe nicht erklären könnte und ich auf meine
eigenen Annahmen und Vermutungen zurückgreifen müsste? Sie hätte es als ein zufälliges
Treffen darstellen können, als einen Ausrutscher, aber selbst dann hätte ich
gewusst, dass es nicht stimmte. Keine Frau versuchte, ihren Ehemann dazu zu
bewegen, einem anderen Mann, mit dem sie einmal Sex gehabt hatte, einen gut
bezahlten Job zu geben.
Natürlich
gab es auch noch ganz andere Gründe, den Mund zu halten. Solange ich vorgab,
nichts über Greve und Diana zu wissen, konnte mich niemand beschuldigen, bei
seiner Kandidatur befangen zu sein, und statt alles Ferdinand überlassen zu
müssen, konnte ich meine kleine, miese Rache in aller Ruhe genießen. Außerdem
brauchte ich dann nicht zu erklären, auf welche Art und Weise ich Verdacht
geschöpft hatte. Schließlich konnte ich Diana gegenüber unmöglich einräumen,
ein Dieb zu sein, der sich regelmäßig Zutritt zu fremden Wohnungen verschaffte.
Ich
drehte mich im Bett um und lauschte ihren Stilettos, die ihre monotonen,
unverständlichen Morsesignale zu mir sendeten. Ich wollte schlafen. Wollte
träumen. Wollte weg. Und dann aufwachen und alles vergessen. Denn natürlich war
das der wichtigste Grund dafür, dass ich nichts gesagt hatte. Solange es
unausgesprochen blieb, gab es noch immer die Chance, alles zu vergessen. Zu
schlafen und zu träumen, so dass beim Aufwachen alles verschwunden war,
reduziert auf etwas Abstraktes, auf Szenen und Bilder, die es nur in unseren
Köpfen gab, nicht schlimmer als die betrügerischen Gedanken und Fantasien, die
es in jeder Liebe gibt, selbst in der allertiefsten.
Plötzlich
wurde mir klar, dass sie sich ein neues Handy besorgt haben musste, wenn sie
jetzt damit telefonierte. Und dass der Anblick dieses neuen Telefons der
konkrete, unerschütterliche Beweis war, der mir täglich sagen würde, dass die
Geschehnisse nicht bloß ein Traum waren.
Als
sie endlich ins Schlafzimmer kam und sich auszog, gab ich vor zu schlafen. Aber
in einem bleichen Streifen Mondlicht, der durch die Gardinen fiel, sah ich,
wie sie das Handy ausschaltete, bevor sie es in die Tasche ihrer Hose gleiten
ließ. Und dass es das gleiche war. Ein schwarzes Prada. Vielleicht war es doch
alles nur ein Traum? Ich spürte, wie der Schlaf mich übermannte und in die
Tiefe zog. Oder hatte sie sich einfach das exakt gleiche Modell nachgekauft?
Ich sank nicht weiter in die Tiefe. Vielleicht hatte er ihr Telefon auch gefunden
und sich noch einmal mit ihr getroffen. Ich stieg wieder nach oben, durchbrach
erneut die Oberfläche und wusste, dass ich in dieser Nacht
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