Heidi - Buch 1 und 2 - Illustrierte Ausgabe
ganz apart weiches Bett, und um die Pflege des Töchterchens müßte die Frau Großmama keine Sorge haben, die übernehme ich.«
Klara und Heidi jauchzten miteinander auf wie zwei freigelassene Vögel, und über das Gesicht der Großmama kam ein ganzer Sonnenschein.
»Mein lieber Öhi, Sie sind ein prächtiger Mann!« brach sie aus. »Was meinen Sie, was ich eben jetzt dachte? Ich sagte im stillen: Müßte nicht ein Aufenthalt hier oben das Kind ganz besonders stärken? Aber die Pflege! Die Sorge! Die Unbequemlichkeit für den Wirt! Und Sie kommen und sprechen es aus, so als wäre da gar nichts dabei. Ich muß Ihnen danken, mein lieber Öhi, ich muß Ihnen von ganzem Herzen danken!« Und die Großmama schüttelte dem Öhi die Hand ein Mal ums andere und immer wieder, und der Öhi schüttelte auch die ihrige mit einem ganz erfreuten Gesicht.
Sofort ging der Öhi zur Tat über. Er trug Klara in ihren Sessel vor die Hütte zurück, vom Heidi gefolgt, das nicht wußte, wie hoch es vor Freude springen wollte. Dann lud er gleich die sämtlichen Tücher und Pelzdecken auf seine Arme und sagte wohlgefällig lächelnd: »Es ist gut, daß die Frau Großmama so wie zu einem Winterfeldzug gerüstet hatte: Das können wir brauchen.«
»Mein lieber Öhi«, antwortete die Herzutretende lebhaft, »Vorsicht ist eine schöne Tugend und schützt vor manchem Ungemach. Wenn man auf den Reisen über Ihre Gebirge ohne Sturm und Wind und Wolkenbrüche davonkommt, so kann man nur danken, und das wollen wir tun, und meine Schutzmittelchen sind auch so noch gut zu gebrauchen; darin sind wir einig.«
Während dieses kleinen Gespräches waren die beiden nach dem Heuboden hinaufgestiegen und begannen nun die Tücher über das Bett hinzubreiten, eins nach dem andern. Da waren ihrer so viele, daß das Bett zuletzt aussah wie eine kleine Festung.
»Jetzt soll mir noch ein einziger Heuhalm durchstechen, wenn er kann«, sagte die Großmama, indem sie noch einmal mit der Hand auf allen Seiten eindrückte, aber die weiche Mauer war so undurchdringlich, daß wirklich keiner mehr durchstach. Nun stieg sie befriedigt die Leiter hinunter und trat zu den Kindern heraus, die mit strahlenden Angesichtern nahe zusammensaßen und ausmachten, was sie nun tun wollten vom Morgen bis zum Abend, solange Klara auf der Alp bleiben durfte. Aber wie lange würde das sein? Das war nun die große Frage, welche augenblicklich der Großmama vorgelegt wurde. Die sagte, das wisse der Großvater am besten, ihn müßten sie fragen, und als dieser eben herzutrat und nun die Frage an ihn gerichtet wurde, meinte er, vier Wochen seien gerade recht, um beurteilen zu können, ob die Alpluft ihre Schuldigkeit an dem Töchterchen tue oder nicht. Jetzt jubelten die Kinder erst recht auf, denn die Aussicht auf solches Zusammenbleiben übertraf alle ihre Erwartungen.
Nun sah man von unten herauf wieder die Sesselträger und den Pferdeführer mit seinem Tier heranrücken. Die ersteren konnten gleich wieder umkehren.
Als die Großmama sich anschickte, ihr Pferd zu besteigen, rief Klara fröhlich aus: »O Großmama, das ist nun gar kein Abschied, wenn du schon fortreitest, denn nun kommst du von Zeit zu Zeit zu uns zum Besuch auf die Alp, um zu sehen, was wir machen, und das ist dann so lustig, nicht, Heidi?«
Heidi, das heute von einem Vergnügen ins andere fiel, konnte seine zustimmende Antwort nur durch einen hohen Freudensprung ausdrücken.
Nun bestieg die Großmama das feste Saumtier, und der Öhi ergriff den Zügel und führte das Pferd mit sicherer Hand den steilen Berg hinunter. Wie auch die Großmama eiferte, er möchte doch nicht so weit mitgehen, es half nichts: Der Öhi erklärte, er werde ihr sein Geleit bis zum Dörfli hinunter geben, da die Alp so steil und der Ritt nicht ohne Gefahr sei.
In dem einsamen Dörfli gedachte die Großmama, nun sie allein war, nicht zu bleiben. Sie wollte nach Ragaz zurückkehren und von dort aus dann von Zeit zu Zeit ihre Alpenreise wiederholen.
Noch bevor der Öhi wieder zurückgekehrt war, kam der Peter mit seinen Geißen dahergerannt. Als diese merkten, wo das Heidi war, stürzten sie alle der Stelle zu. Im Augenblick war die Klara in ihrem Stuhle samt dem Heidi mitten in dem Rudel drinnen, und drängend und stoßend guckte immer eine der Geißen über die andere her, und jede wurde gleich vom Heidi der Klara genannt und vorgestellt.
So kam es, daß diese in der kürzesten Zeit die
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