Heiliger Zorn
einfach großartig, Jak. Du musst ihn unbedingt kennen lernen. Er leitet das ganze Projekt, er ist einer der Gründe, warum ich in der ersten Welle rauskam. Er hat die virtuellen Anhörungen gemacht, er war mein Projektvertreter, als ich entlassen wurde, und dann haben wir einfach… na ja, du weißt schon.«
Sie blickt in ihren Schoß, immer noch lächelnd.
»Du wirst rot, Sarah.«
»Nein.«
»Doch.« Ich weiß, dass ich mich für sie freuen sollte, aber ich kann es nicht. Zu viele Erinnerungen an ihren langen, blassen Körper, der sich an meinem bewegt, in Betten von Hotelsuiten und schäbigen Wohnungen, die uns als Versteck gedient haben. »Also meint er es ernst, dieser Josef!«
Sie blickt schnell auf, fixiert mich mit den Augen. »Wir beide meinen es ernst, Jak. Er macht mich glücklich. Glücklicher, als ich je zuvor gewesen bin, glaube ich.«
Warum, zum Henker, bist du dann gekommen und hast mich aufgesucht, du blöde Schlampe?
»Das ist großartig«, sage ich.
»Und was ist mit dir?«, fragt sie mit schelmischer Besorgnis. »Bist du glücklich?«
Ich hebe eine Augenbraue, um etwas Zeit zu gewinnen. Kippe meinen Blick etwas zur Seite, auf eine Weise, mit der ich sie früher zum Lachen gebracht habe. Diesmal bringt es mir nicht mehr als ein mütterliches Lächeln ein.
»Nun, glücklich…« Ich ziehe eine andere Grimasse. »Das ist, nun ja, eine Kunst, in der ich noch nie besonders gut war. Ich meine, ja, ich bin wie du vorzeitig entlassen worden. Volle UN-Amnestie.«
»Davon habe ich gehört. Und du warst auf der Erde, nicht wahr?«
»Eine Weile.«
»Und was ist jetzt?«
Eine vage Geste. »Ach, ich arbeite an etwas. Nichts mit so viel Prestige wie das, was ihr da auf dem Nordarm macht, aber ich kann damit den Sleeve abbezahlen.«
»Ist es legal?«
»Willst du mich verarschen?«
Ihr Gesicht verfinstert sich. »Du weißt, Tak, wenn das wahr ist, dass ich dann keine Zeit mit dir verbringen darf. Das ist ein Teil der Resleeving-Abmachungen. Ich bin immer noch auf Bewährung, und ich darf keinen Umgang mit…«
Sie schüttelt den Kopf.
»Kriminellen pflegen?«, frage ich.
»Lach mich nicht aus, Tak.«
Ich seufze. »Das tue ich nicht, Sarah. Ich finde es toll, wie sich die Dinge für dich entwickelt haben. Es ist nur so, ich weiß nicht, wenn ich mir vorstelle, wie du Biocodierungen schreibst, statt welche zu stehlen.«
Sie lächelt wieder, ihr mimischer Platzhalter für den größten Teil des Gesprächs, aber diesmal mischt sich Schmerz in das Lächeln.
»Menschen können sich ändern«, sagte sie. »Du solltest es auch probieren.«
Eine verlegene Pause.
»Vielleicht werde ich das tun.«
Und noch eine Pause.
»Hör mal, ich muss jetzt wirklich zurück. Josef hat wahrscheinlich nicht…«
»Nein, komm.« Ich deute auf unsere leeren Gläser, die einsam auf dem zerkratzten Spiegelholz stehen. Es hat eine Zeit gegeben, in der wir niemals freiwillig eine Bar wie diese verlassen hätten, ohne den Tisch mit geleerten Glasern und einschüssigen Pfeifen übersät zu haben. »Hast du keinen Selbstrespekt mehr, Frau? Bleib noch auf einen Drink.«
Sie tut es, aber es kann die Verlegenheit zwischen uns nicht abbauen. Und als sie ihr zweites Glas geleert hat, steht sie auf, küsst mich auf beide Wangen und lässt mich allein zurück.
Und ich sehe sie nie wieder.
»Sachilowska?« Virginia Vidaura suchte stirnrunzelnd in ihrem Gedächtnis. »Groß, nicht wahr? Blöde Frisur, die ihr über ein Auge hängt, was? Ja. Ich glaube, du hast sie einmal zu einer Party mitgebracht, als Yaros und ich noch an der Ukai Street wohnten.«
»Ja, stimmt.«
»Also ging sie zum Nordarm, und du hast dich wieder den Kleinen Blauen Käfern angeschlossen? Warum? Aus Trotz?«
Wie das Sonnenlicht und die billigen Metallbeschläge der Kaffeterrasse, auf der wir sitzen, strahlt die Frage viel zu grell. Ich wandte den Blick davon ab, schaute aufs Meer hinaus. Für mich schien es nicht auf dieselbe Weise zu funktionieren wie für Brasil.
»So war es nicht, Virginia. Ich war bereits bei euch eingeklinkt, als ich sie sah. Ich wusste nicht einmal, dass sie entlassen worden war. Zuletzt hatte ich nach meiner Rückkehr von der Erde von ihr gehört, dass sie immer noch die volle Zeit verbüßen musste. Immerhin wurde ihr Polizistenmord vorgeworfen.«
»Genauso wie dir.«
»Ja, aber bei mir waren Geld von der Erde und UN-Einfluss im Spiel.«
»Okay.« Vidaura tippte gegen ihre Kaffeetasse und runzelte erneut die Stirn. Er war
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