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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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als Engel vereinnahmt. Gottes erste geflügelte Geschöpfe, und in den wenigen mumifizierten Leichen, die sie uns hinterlassen haben, kein Anzeichen für etwas, das auch nur entfernt an einen kortikalen Stack erinnert. Für einen Geist, der tief in der Psychose des Glaubens steckte, war die Schlussfolgerung unausweichlich. Das Resleeving war ein Übel, das vom schwarzen Herzen der menschlichen Wissenschaft ausgebrütet worden war, eine Entgleisung auf dem Weg ins Leben nach dem Tode und in die Gegenwart Gottes. Eine Abscheulichkeit.
    Ich starrte aufs Meer hinaus. Die Worte fielen wie Asche aus meinem Mund. »Sie versuchte zu fliehen. Allein. Josef war bereits voll mit dem Glauben infiziert und wollte ihr nicht helfen. Also nahm sie sich die Leiche ihrer Tochter, allein, und stahl einen Skimmer. Flog die Küste entlang nach Westen, auf der Suche nach einem Kanal, durch den sie in südlicher Richtung nach Millsport gelangen könnte. Sie wurde von ihnen gejagt, geschnappt und zurückgebracht. Josef half ihnen dabei. Sie brachten sie zu einem Bestrafungsstuhl, den die Priester mitten im Dorf aufgestellt hatten, und zwangen sie, mit anzusehen, wie sie den Stack aus der Wirbelsäule ihrer Tochter schnitten und wegbrachten. Dann machten sie dasselbe mit ihr. Bei vollem Bewusstsein. Damit sie ihre Erlösung würdigen konnte.«
    Ich schluckte. Es tat weh. Um uns herum strömte die Touristenmenge wie eine grellfarbene Flutwelle aus Idioten.
    »Anschließend feierte das ganze Dorf die Befreiung ihrer Seelen. Die Doktrin der Neuen Offenbarung besagt, dass ein kortikaler Stack zu Schlacke zerschmolzen werden muss, um den Dämon auszutreiben, den er enthält. Aber da oben auf dem Nordarm haben sie ihren eigenen Aberglauben entwickelt. Sie bringen die Stacks, in sonarreflexiven Kunststoff eingeschweißt, in einem Zwei-Mann-Boot aufs Meer. Sie fahren fünfzig Kilometer weit raus, und irgendwo unterwegs wirft der amtierende Priester die Stacks über Bord. Er hat keine Ahnung, auf welchem Kurs sich das Boot bewegt, und der Steuermann darf nicht wissen, wo die Stacks versenkt werden.«
    »Das klingt nach einem sehr leicht korrumpierbaren System.«
    »Mag sein. Aber nicht in diesem Fall. Ich habe beide bis zum Tod gefoltert, aber sie konnten mir keine Auskunft geben. Ich hätte eine viel bessere Chance, Sarahs Stack wiederzufinden, wenn man das Hirata-Riff einfach umdrehen und ausschütteln könnte.«
    Ich spürte ihren Blick und drehte mich nun um, stellte mich ihm.
    »Also bist du dort gewesen«, murmelte sie.
    Ich nickte. »Vor zwei Jahren. Ich habe mich auf die Suche nach ihr gemacht, als ich von Latimer zurückkam. Stattdessen fand ich Josef, der flennend an ihrem Grab stand. Aus ihm habe ich die Geschichte herausgeholt.« Mein Gesicht zuckte bei dieser Erinnerung. »Irgendwann. Er gab mir die Namen des Steuermanns und des Priesters, die ich als Nächstes ausfindig gemacht habe. Aber wie gesagt konnten sie mir nichts Brauchbares mitteilen.«
    »Und dann?«
    »Dann ging ich zum Dorf zurück und tötete alle anderen.«
    Sie schüttelte leicht den Kopf. »Welche anderen?«
    »Alle anderen Dorfbewohner. Jeden Scheißer, den ich finden konnte, der am Tag ihres Todes das Erwachsenenalter erreicht hatte. Ich hatte eine Datenratte in Millsport. Er hat für mich Bevölkerungsdaten durchgesehen, Namen und Gesichter. Jeder, der einen Finger hätte heben können, um ihr zu helfen, und es nicht getan hat. Ich nahm die Liste, ging ins Dorf zurück und tötete alle.« Ich betrachtete meine Hände. »Und noch ein paar mehr, die mir in die Quere kamen.«
    Sie starrte mich an, als würde sie mich zum allerersten Mal sehen. Ich reagierte mit einer gereizten Geste.
    »Komm schon, Virginia. Wir beide haben schon viel Schlimmeres als das getan, auf so vielen Welten, dass ich mich im Moment nicht genau an die Zahl erinnern kann.«
    »Du hast ein Envoy-Gedächtnis«, sagte sie matt.
    Wieder gestikulierte ich. »Eine Redensart. Auf siebzehn Planeten und fünf Monden. Und in diesem Habitat in der Nevsky-Streuung. Und…«
    »Du hast ihnen die Stacks abgenommen?«
    »Josef und den Priestern, ja.«
    »Du hast sie zerstört?«
    »Warum hätte ich das tun sollen? Es wäre genau das gewesen, was sie gewollt hätten. Die Auslöschung nach dem Tod. Keine Chance zur Rückkehr.« Ich zögerte. Aber es erschien mir sinnlos, jetzt aufzuhören. Und wenn ich Vidaura nicht vertrauen konnte, stand ich sowieso ganz allein da. Ich räusperte mich und zeigte mit einem Daumen

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