Heiliger Zorn
Atem anhielt.
»Wie es scheint, hat heute niemand vor, früh zu Bett zu gehen«, sagte ich und deutete auf die Vorbereitungen des Lagerfeuers.
»In ein paar Tagen könnte jeder von uns real tot sein«, sagte Tres. »Dann kriegen wir mehr Schlaf, als uns lieb ist.«
Unvermittelt zog sie sich das T-Shirt mit gekreuzten Armen über den Kopf. Ihre Brüste hoben sich und wackelten besorgniserregend, als sie die Bewegung ausführte. Nichts, was ich im Moment gebrauchen konnte. Sie warf das T-Shirt in den Sand und lief den Strand hinunter.
»Ich gehe schwimmen«, rief sie uns zu. »Kommt jemand mit?«
Ich sah Brasil an. Er zuckte die Achseln und folgte ihr.
Ich beobachtete, wie sie das Wasser erreichten und hineinsprangen, dann weiter hinausschwammen. Im tieferen Wasser tauchte Brasil erneut unter, kam fast unmittelbar danach wieder hervor und rief Tres etwas zu. Sie aalte sich in den Wellen und hörte ihm eine Weile zu, dann tauchte sie ab. Brasil folgte ihr. Diesmal blieben sie etwa eine Minute unten, bis beide wieder an die Oberfläche kamen, prustend und sich aufgeregt unterhaltend, inzwischen knapp hundert Meter vom Ufer entfernt. Es war, dachte ich, als würde man Delfine vor dem Hirata-Riff beobachten.
Ich lief parallel zur Küste auf die Lagerfeuerstelle zu. Leute nickten mir zu, und einige lächelten sogar. Ausgerechnet Daniel, der mit ein paar anderen, die ich nicht kannte, im Sand saß, blickte zu mir auf und bot mir eine Flasche an. Es wäre ungehobelt gewesen, sie abzulehnen. Ich setzte die Flasche an, trank, dann brachte mich der Wodka, der so hart wie selbst gebrannter war, zum Husten.
»Starkes Zeug«, keuchte ich und gab die Flasche zurück.
»Ja, das Beste, was es an diesem Ende des Strips gibt.« Er machte eine unbestimmte Geste. »Setz dich und trink noch etwas. Das ist Andrea, meine beste Freundin. Und das ist Hiro. Nimm dich in Acht vor ihm, er ist viel älter, als er aussieht. Ist schon länger auf Vchira, als ich lebe. Und das ist Magda. Ein ziemliches Miststück, aber man kommt mit ihr klar, wenn man sie etwas besser kennt.«
Magda versetzte ihm eine freundschaftliche Kopfnuss und nahm ihm die Flasche ab. Da ich nichts Besseres zu tun hatte, hockte ich mich zu ihnen in den Sand. Andrea beugte sich vor und wollte mir die Hand schütteln.
»Das wollte ich nur sagen«, murmelte sie auf Amenglisch mit Millsport-Akzent. »Danke für alles, was du für uns getan hast. Ohne dich hätten wir vielleicht nie erfahren, dass sie noch am Leben ist.«
Daniel nickte, wobei der Wodka dieser Geste eine übertriebene Feierlichkeit verlieh. »Das ist wahr, Kovacs-san. Ich war ziemlich daneben, als du zu uns gekommen bist. Um ganz ehrlich zu sein, ich dachte, du würdest uns irgendwelchen Scheiß erzählen. Uns zu irgendwas überreden, weißt du. Aber nachdem Koi jetzt mit an Bord ist, geht es echt voran. Wir werden diesen ganzen Scheißplaneten auf den Kopf stellen.«
Gemurmelte Zustimmung, ein wenig zu inbrünstig für meinen Geschmack.
»Wir werden dafür sorgen, dass die Siedlerkriege daneben wie eine Hafenschlägerei wirken«, sagte Hiro.
Die Flasche landete wieder bei mir, und ich trank. Beim zweiten Mal schmeckte es gar nicht mehr so schlecht. Vielleicht waren meine Geschmacksnerven inzwischen betäubt.
»Wie ist sie so?«, fragte Andrea.
»Oh.« Ein Bild der Frau, die dachte, dass sie Nadia Makita war, schoss mir durch den Kopf. Das Gesicht in den Zuckungen des Höhepunkts verschmiert. Der ausgespülte Cocktail aus Hormonen in meinem Kreislauf schwappte bei dieser Vorstellung. »Sie ist anders. Schwer zu erklären.«
Andrea nickte und lächelte glücklich. »Du kannst dich glücklich schätzen. Dass du ihr begegnet bist, meine ich. Dass du mit ihr gesprochen hast.«
»Auch du wirst die Gelegenheit dazu bekommen, And«, sagte Daniel mit etwas schleppender Aussprache. »Sobald wir sie aus den Händen dieser Arschlöcher befreit haben.«
Lautes Grölen. Jemand entzündete das Lagerfeuer.
Hiro nickte grimmig. »Ja. Der Tag der Abrechnung für die Harlaniten. Für den ganzen Abschaum der Ersten Familie. Sie sollten sich auf den realen Tod gefasst machen.«
»Das wäre so gut«, sagte Andrea, während wir zusahen, wie die Flammen auf das Holz übergriffen. »Wieder jemanden zu haben, der weiß, was zu tun ist.«
Eins sollte klar sein: Die Revolution erfordert Opfer.
Sandor Spaventa
Die Aufgaben der Quellisten-Vorhut
28
Nordöstlich von Kossuth, hinter der Krümmung der
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