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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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Welt, liegt wie ein zerbrochener Teller der Millsport-Archipel im Nurimono-Ozean. Vor Äonen war er ein massives, mehrere hundert Kilometer durchmessendes Vulkansystem gewesen, und das Erbe dieser Vergangenheit zeigt sich noch heute an den eigenartig gekrümmten Küstenlinien der äußeren Inseln. Das Feuer, das die Eruptionen angefacht hatte, war schon seit langem erloschen, aber es hatte eine hoch aufragende, zerklüftete Berglandschaft hinterlassen, deren Gipfel die spätere Überflutung überstanden hatten, als der Meeresspiegel gestiegen war. Im Gegensatz zu den anderen Inselketten auf Harlans Welt sorgte der vulkanische Niederschlag für eine fruchtbare Landbasis, und der größte Teil des Bodens war dicht mit der bedrängten Landvegetation bedeckt. Später kamen die Marsianer und brachten im Zuge der Kolonialisierung ihre eigenen Pflanzen mit. Und noch später kamen die Menschen und taten dasselbe.
    Im Herzen des Archipels breitete sich Millsport in seiner ganzen Pracht aus Beton und Verbundglas aus. Die Stadt war eine Explosion urbaner Entwicklung, jeder nutzbare Felsen und jeder Hang war mit Türmen bewaldet, und sie schob sich auf breiten Plattformen und kilometerlangen Brücken aufs Meer hinaus. Die Städte auf Kossuth und New Hokkaido waren in mehreren Phasen während der letzten vierhundert Jahre beträchtlich gewachsen, aber nirgendwo sonst auf diesem Planeten gab es etwas, das mit dieser Metropole vergleichbar gewesen wäre. In Millsport lebten über zwanzig Millionen Menschen, und die Stadt war das Tor zum einzigen Fenster für die kommerzielle Raumfahrt, die das Orbitalnetz offen ließ, sie war der Knotenpunkt der Regierungsgeschäfte, der Konzernmacht und der Kultur. Ganz gleich, wo man auf Harlans Welt stand, überall konnte man den Sog von Millsport spüren, genauso wie sich der Mahlstrom auf die ganze Welt auswirkte.
    »Ich hasse diese Scheißstadt«, sagte Mari Ado zu mir, als wir auf den wohlhabenden Straßen von Tadaimako herumstreiften und nach einem Kaffeehaus namens Makita suchten. Genauso wie Brasil hatte sie ihren Rückenmarksfieber-Komplex für die Dauer des Überfalls unterdrückt, und die Umstellung machte sie äußerst reizbar. »Scheißglobale Metropolentyrannei. Eine einzelne Stadt sollte nie so viel Einfluss haben.«
    Es war die übliche Tirade – aus dem Handbuch der Quellisten. Seit Jahrhunderten hatte man im Wesentlichen immer wieder das Gleiche über Millsport gesagt. Natürlich stimmte es, aber es war erstaunlich, wie durch die ständige Wiederholung selbst die offensichtlichsten Wahrheiten immer mehr zum Widerspruch herausforderten.
    »Du bist hier aufgewachsen, nicht wahr?«
    »Na und?« Sie warf mir einen funkelnden Blick zu. »Heißt das, ich muss diese Stadt mögen?«
    »Nein, eher nicht.«
    Wir gingen schweigend weiter. Um uns herum das sittsame Treiben von Tadaimako, betriebsamer und vornehmer, als ich es aus der Zeit vor etwas über dreißig Jahren in Erinnerung hatte. Das alte Hafenviertel, einst ein schäbiger und mäßig gefährlicher Spielplatz für die Jugend aus Aristo- und Konzern-Kreisen, hatte nun einen frischen Neubewuchs aus Einzelhandelsgeschäften und Cafes emporsprießen lassen. Viele der Bars und Pfeifenhäuser, an die ich mich erinnerte, waren verhältnismäßig sauber verendet, und andere waren zu grässlich imagistischen Echos ihrer selbst transformiert worden. Jede Straßenfassade glänzte mit neuer Farbe und Antibak-Beschichtung in der Sonne, und das Pflaster unter unseren Füßen war tadellos sauber. Selbst der Geruch des Meeres, das ein paar Straßen weiter lag, schien sterilisiert worden zu sein. Kein Gestank nach verrottendem Tang oder Chemieabfällen, und der Hafen war voller Jachten.
    Im Einklang mit der vorherrschenden Ästhetik war das Makita ein quietschsauberes Lokal, das sich alle Mühe gab, verrufen auszusehen. Künstlich verrußte Fenster hielten das meiste Sonnenlicht ab, und drinnen waren die Wände mit Reprints von Fotografien aus der Zeit der Siedlerkriege und Epigrammen der Quellisten in kunsthandwerklichen Rahmen dekoriert. In einer Ecke hing das unvermeidliche ikonische Holo der Frau, das mit der Schrapnellnarbe am Kinn. Dizzy Csango lief auf dem Musiksystem. Dream of Weed aus den Millsport-Sessions.
    In einem hinteren Separee saß Isa mit einem Longdrink, den sie fast geleert hatte. Das Haar trug sie heute in einem wilden Rot, und es war etwas länger als beim letzten Mal. Sie hatte gegenüberliegende Quadranten ihres Gesichts

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