Heiliger Zorn
niemand einen Ein-Mann-Grav unter Wasser bemerken. Und mit sorgfältig justiertem Vektor würde die Kraft, die uns in der Schwebe hielt, uns gleichzeitig mit Maschinengeschwindigkeit nach Süden vorantreiben.
Wie Meeresgeister aus der Legende von Ebisus Tochter glitten wir mit einer Armlänge Abstand durch das dunkle Wasser, während über uns die Oberfläche regelmäßig stumm im Engelsfeuer erblühte. Das Anderson-System klickte und blubberte leise in meinen Ohren, während es den Sauerstoff direkt aus dem Wasser elektrolysierte, Helium aus dem ultrakomprimierten Minitank auf meinem Rücken dazumischte, es mir zuführte und schließlich die von mir ausgeatmete Luft geduldig in winzige Bläschen aufspaltete, die nicht größer als Fischrogen waren. Aus der Ferne setzte der Mahlstrom einen brummenden Basskontrapunkt.
Alles wirkte sehr friedlich.
Ja, das ist der leichte Teil.
Eine Erinnerung trieb im Blitzlichtgewitter vorbei. Ein nächtlicher Tauchgang vor dem Hirata-Riff mit einem Mädchen vom besseren Ende von Newpest. Eines Abends war sie mit Segesvar bei Watanabe hereingeschneit, als Teil einer gemischten Truppe aus unartigen braven Mädchen und harten Jungs aus Stinkstadt. Eva? Irena? Ich erinnerte mich nur noch an einen geflochtenen Strick aus honigfarbenen Haar, langen Gliedmaßen und strahlenden grünen Augen. Sie rauchte Seehanfjoints, die sie nicht vertrug, die raue Mischung brachte sie zum Husten und Keuchen, worauf ihre Härteres gewohnten Freunde laut lachten. Sie war das schönste Wesen, das ich jemals gesehen hatte.
Ich unternahm eine – für mich seltene – Anstrengung und entzog sie Segesvars Zugriff, der sie eher als Klotz am Bein zu empfinden schien. Ich parkte sie in einer stillen Ecke in der Nähe der Küche des Watanabe und nahm sie den ganzen Abend lang in Beschlag. Sie schien von einem völlig anderen Planeten zu stammen – mit einem Vater, der sich mit einer Aufmerksamkeit um sie kümmerte und sorgte, über die ich mich unter anderen Umständen nur lustig gemacht hätte, und einer Mutter, die einen Teilzeitjob angenommen hatte, damit sie sich nicht wie eine totale Hausfrau vorkam. Sie wohnten in einem Eigenheim außerhalb der Stadt und kamen alle paar Monate zu Besuch nach Millsport und Erkezes. Es gab eine Tante, die zum Arbeiten den Planeten verlassen hatte, auf die sie alle sehr stolz waren, und einen Bruder, der hoffte, irgendwann dasselbe zu erreichen. Sie sprach über all das mit der Selbstvergessenheit eines Menschen, der glaubte, dass all dies völlig normal war, sie rauchte hustend Seehanf, und sie sah mich immer wieder mit einem strahlenden Lächeln an.
Und, fragte sie bei einer dieser Gelegenheiten, womit vertreibst du dir sonst so die Zeit?
Ich… äh… Mit Rifftauchen.
Das Lächeln wurde zu einem Lachen. Aha, ein Riffkrieger! Hab ich mir irgendwie gedacht. Gehst du oft runter?
Eigentlich hätte das mein Text sein sollen, der Text, mit dem wir allen Mädchen imponierten, und sie hatte ihn mir vor der Nase weggeschnappt. Aber es störte mich gar nicht sonderlich.
Andere Seite von Hirata, platzte es aus mir heraus. Willst du es auch mal probieren?
Klar, zog sie mit mir gleich. Wollen wir es gleich jetzt machen?
In Kossuth herrschte Hochsommer, und die Luftfeuchtigkeit im Binnenland hatte schon vor Wochen die hundert Prozent erreicht. Die Vorstellung, ins Wasser zu gehen, war wie ein ansteckendes Jucken. Wir verließen das Watanabe, und ich zeigte ihr, wie man die Autotaxi-Anzeigen las, sich ein unbesetztes herauspickte und aufs Dach sprang. Wir fuhren damit quer durch die Stadt, während der Schweiß auf unserer Haut abkühlte.
Halt dich gut fest.
Ja, daran hätte ich von selbst nie gedacht, brüllte sie zurück und lachte mir im Fahrtwind ins Gesicht.
Das Taxi hielt in der Nähe der Hafenverwaltung an, um Passagiere aufzunehmen, die sich mit dezenten Schreckensschreien aneinander klammerten, als wir vom Dach purzelten. Der Schock wich Gemurmel und tadelnden Blicken, unter denen wir mit unterdrücktem Gelächter davonliefen. In der Hafenüberwachung gab es in der östlichen Ecke der Hoverlader-Docks ein Loch – ein blinder Fleck, den ein vorpubertärer Hacker ein Jahr zuvor aus Spaß in den Schirm gerissen hatte. Er hatte es gegen einen Holoporno an die Riffkrieger verkauft. Ich brachte uns durch die Lücke und weiter zu einer Hoverrampe, wo ich ein Beiboot klaute. Lautlos stakten und paddelten wir aus dem Hafen, dann warfen wir den Motor an und rasten unter
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