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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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trügerisch war. Es ist affenleicht, hatte er in ernstem Ton gesagt. Weit schwingen und greifen, große Bewegungen. In diesem Stadium haben Sie noch viel Kraft. Sie werden sich einfach nur gut fühlen. Aber denken Sie daran, dass es nicht so bleibt.
    Ich schürzte die Lippen wie ein Schimpanse und stieß leise Affenlaute aus. Unter mir krachte das Meer ohne Unterlass gegen den Fels. Die Geräusche und Gerüche wurden an der Steilwand emporgewirbelt und hüllten mich in Kringel aus Kühle und Feuchtigkeit. Ich schüttelte ein Erschaudern mit einem Achselzucken ab.
    Hinaufschwingen. Greifen.
    Sehr langsam wurde mir klar, dass die Envoy-Konditionierung noch nichts getan hatte, um mein Schwindelgefühl zu unterdrücken. Wenn die Felsen einen halben Meter vor meinem Gesicht waren und das Muskelsystem des Eishundo auf meinen Knochen vibrierte, konnte man beinahe vergessen, dass ein tiefer Abgrund unter mir gähnte. Das Gestein verlor die Sprühschicht vom Mahlstrom, während wir höher stiegen, und das kontinuierliche Dröhnen der Wellen verblasste zu einem fernen weißen Rauschen. Die Gekko-Haftung meiner Hände machten glasartige, tückische Flächen zu lächerlich bequemen Halten. Doch viel mehr als alle diese Faktoren – oder vielleicht auch nur der kulminierende Eishundo-Touch – zählte, dass das, was ich zu Natsume gesagt hatte, zu stimmen schien –, dass der Sleeve wusste, wie man es machte.
    Als ich dann eine Stelle mit Felsvorsprüngen erreichte, die vom Display der Maske als Rastpunkt markiert wurde, blickte ich hinunter, um zu sehen, wie Brasil und Tres vorankamen, und machte damit alles zunichte.
    Sechzig Meter tiefer – nicht einmal ein Drittel der Gesamtstrecke – war das Meer ein schwarzes Vlies, mit Daikoku-Silber gesprenkelt, wo es sich wellte. Wo die Felsen am Fuß von Rila ins Wasser tauchten, waren sie wie solide Schatten. Die beiden großen, die den Kanal säumten, durch den wir hereingekommen waren, sahen nun aus, als würden sie in meine Hand passen. Das hin und her schwappende Wasser dazwischen war hypnotisch und schien mich nach unten ziehen zu wollen. Die Perspektive schwankte schwindelerregend.
    Nun sprang die Konditionierung ein und planierte die Furcht. Wie Luftschleusenschotts in meinem Kopf. Ich blickte wieder hinauf zum Fels. Sierra Tres streckte eine Hand empor und tippte gegen meinen Fuß.
    »Alles klar?«
    Mir wurde bewusst, dass ich mich eine gute Minute nicht gerührt hatte.
    »Ruh mich nur etwas aus.«
    Der markierte Aufstieg neigte sich nach links, eine Diagonale, die um einen dicken Vorsprung herumführte, vor dem Natsume uns gewarnt hatte, dass er praktisch unbesteigbar war. Stattdessen hatte er sich zurückgebeugt und war beinahe kopfüber unter dem Kinn des Vorsprungs weitergeklettert, die Füße in winzige Gesteinsspalten geklemmt, die Finger um Wölbungen im Fels geklammert, die kaum den Namen eines Halts verdienten, bis er schließlich beide Hände auf eine Reihe von schrägen Simsen legen und sich wieder in eine ungefähr vertikale Position ziehen konnte.
    Ich knirschte mit den Zähnen und versuchte, dasselbe zu tun.
    Auf halbem Wege rutschte ich mit dem Fuß ab, kippte mit dem Körper zurück und verlor mit der rechten Hand den Griff. Ein unwillkürliches Grunzen, und ich hing nur noch mit der linken Hand, während die Füße strampelnd nach einem Halt suchten, aber viel zu tief, um mehr als leere Luft zu finden. Ich hätte geschrien, aber die kaum verheilten Sehnen meines linken Arms taten es bereits für mich.
    »Scheiße!«
    Halt dich gut fest.
    Die Gekko-Haftung hielt.
    Ich rollte mich oberhalb der Hüfte ein und reckte den Hals, um die markierten Haltepunkte im Glas der Maske erkennen zu können. Kurze, panische Atemzüge. Ich stemmte einen Fuß gegen eine Blase aus Stein. Winzige Steigerungen der Anstrengung lösten sich von meinem linken Arm. Da ich mit der Maske nichts Deutliches erkennen konnte, griff ich im Dunkeln mit der rechten Hand nach oben und suchte auf dem Fels nach einem neuen Griff.
    Und fand einen.
    Bewegte meinen gesicherten Fuß ein winziges Stück und klemmte den anderen daneben fest.
    Hing keuchend.
    Nein, nicht aufhören, verdammt!
    Ich brauchte meine gesamte Willenskraft, um die rechte Hand zum nächsten Griff zu bewegen. Zwei weitere Klimmzüge, und dann erforderte es noch einmal die gleiche Anstrengung, um nach den nächsten zu suchen. Drei weitere Züge, ein etwas günstigerer Winkel, und mir wurde klar, dass ich fast die andere Seite des

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