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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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und kletterte weiter den Spalt hinauf. Der ölige Gestank wurde intensiver, und Fetzen abgerissenen Gespinstes blieben an meinem Anzug kleben. Das Chamäleochrom-System erbleichte passend, wo es von dem Zeug berührt wurde. Ich hörte auf, durch die Nase zu atmen. Ein schneller Blick hinunter zu meinen Stiefeln verriet mir, dass die anderen folgten, die Gesichter wegen des Gestanks verzogen.
    Dann endete unweigerlich irgendwann der Spalt, und das Display sagte, dass die nächsten Haltepunkte unter dem Gespinst versteckt waren. Ich nickte ergeben und tauchte mit einer Hand in das Zeug, bewegte die Finger, bis sie einen Felssporn fanden, der dem roten Modell im Display ähnelte. Er schien ausreichend fest zu sein. Ein zweiter Vorstoß ins Gespinst verschaffte mir einen weiteren, noch besseren Halt, dann schlug ich seitlich mit dem Fuß aus, auf der Suche nach einem Sims, der ebenfalls unter dem Gewebe verborgen war. Obwohl ich jetzt durch den Mund atmete, hatte ich bereits den öligen Geschmack des Zeugs am Gaumen.
    Dies war viel schlimmer als die Kletterpartie über die Vorwölbung. Die Griffe waren gut, aber jedes Mal musste man die Hand oder den Fuß durch die dicken, klebrigen Spinnweben drücken, bis man einen sicheren Halt hatte. Und man musste auf die undeutlichen Schatten der Embryos achten, die in diesem Zeug hingen, denn selbst in diesem Zustand konnten sie beißen, und der Schwall aus Angsthormonen, die sie durch das Gespinst ausstießen, würde wie eine chemische Sirene in die Luft aufsteigen. Nach wenigen Sekunden hätten sich die Wachposten auf uns gestürzt, und ich schätzte unsere Chancen nicht allzu hoch ein, einen Kampf zu bestehen, ohne abzustürzen.
    Hand reinstecken. Suchen.
    Festhalten. Weiterbewegen.
    Hand rausziehen und das Zeug abschütteln. Im freigesetzten Gestank würgen. Hand wieder reinstecken.
    Inzwischen waren wir völlig mit klebrigen Streifen des Gespinstes bedeckt, und es fiel mir schwer, mich zu erinnern, wie es gewesen war, an sauberem Fels emporzuklettern. Am Rand einer fast freien Stelle kam ich an einem toten, halb verwesten Jungen vorbei, das kopfüber mit den Krallen in einem Gespinstknoten hing, aus dem es sich offenbar nicht mehr hatte befreien können, bevor es verhungert war. Es fügte dem allgemeinen Gestank eine weitere süßliche Fäulnisnote hinzu. Etwas höher schien ein fast ausgewachsener Embryo seinen geschnabelten Kopf in meine Richtung zu wenden, als ich vorsichtig nach einem etwa einen halben Meter entfernten Halt griff.
    Ich zog mich über einen Vorsprung, den das Gespinst rund und klebrig gemacht hatte.
    Der Reißflügler griff mich an.
    Wahrscheinlich war er genauso erschrocken wie ich. Eine aufsteigende Wolke aus Abwehrmittel und eine große schwarze Gestalt, die ihr folgte – und es war klar, was kommen musste. Er stürzte sich auf meine Augen und pickte mehrmals danach, traf jedoch die Maske und stieß meinen Kopf zurück. Der Schnabel glitt hörbar vom Glas ab. Ich verlor den Halt mit der linken Hand und baumelte an der rechten. Der Reißflügler krächzte und kam näher, pickte nach meiner Kehle. Ich spürte, wie der gesägte Rand des Schnabels meine Haut aufriss. Mir blieb keine andere Wahl, als mich mit der rechten Hand fest an den Felsvorsprung zu ziehen. Meine linke Hand schoss neurachemschnell vor und packte das Vieh am Hals. Ich zerrte es vom Sims und schleuderte es nach unten. Es folgte ein weiteres erschrockenes Krächzen, dann eine Explosion ledriger Schwingen unter mir. Sierra Tres schrie.
    Ich hielt mich anderswo mit der linken Hand fest und blickte nach unten. Beide waren noch da. Der Reißflügler war ein geflügelter Schatten, der sich zurückzog und aufs Meer hinaustrieb. Ich erinnerte mich daran, wieder zu atmen.
    »Alles klar?«
    »Könntest du so etwas bitte in Zukunft unterlassen?«, knurrte Brasil.
    Es war auch nicht mehr nötig. Danach führte Natsumes Route uns durch einen Bereich aus zerrissenem und aufgebrauchtem Gespinst, schließlich über einen schmalen Streifen aus dichterem Sekret, und dann waren wir durch. Noch ein Dutzend guter Haltepunkte, und dann kauerten wir auf einer behauenen Steinplattform unter der Brustwehr der Rila-Zitadelle.
    Gepresstes Grinsen wurde ausgetauscht. Auf der Plattform war genug Platz, um sich hinzusetzen. Ich berührte das Induktionsmikro.
    »Isa?«
    »Ja, ich bin hier.« Ihre Stimme klang ungewöhnlich hell und hektisch vor Anspannung. Wieder grinste ich.
    »Wir sind oben. Sag den anderen lieber

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