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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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im Harlan-Horst ging niemand unnötige Risiken ein.
    Ich senkte vorsichtig den Lauf der Sunjet, bis sie auf die steinerne Brüstung zeigte. Hielt den Kolben locker im Griff. Am Rand meines Sichtfelds sah ich, dass Brasil dasselbe mit dem Nadelgewehr getan hatte und Sierra Tres die Arme sinken ließ.
    »Ja, ich meinte, dass Sie vollständig auf die Benutzung Ihrer Waffen verzichten sollen«, sagte die gleiche Frau verbindlich. »Indem Sie sie zum Beispiel niederlegen. Vielleicht ist mein Amenglisch nicht so idiomatisch, wie es sein könnte.«
    Ich drehte mich in die Richtung, aus der die Stimme kam.
    »Sind Sie das, Aiura?«
    Es gab eine längere Pause, dann trat sie aus dem Torbogen am Ende des Kieshofs. Eine neue orbitale Entladung erhellte sie für einen kurzen Moment, dann versank sie wieder im Zwielicht, und ich musste das Neurachem benutzen, um weiterhin Einzelheiten erkennen zu können. Die Sicherheitsbeauftragte der Harlans war der Inbegriff einer Schönheit der Ersten Familie – elegant, fast alterslose eurasische Züge, pechschwarzes Haar, das von einem Statikfeld so modelliert wurde, dass es ihr blasses Gesicht gleichzeitig einrahmte und krönte. Eine mobile Intelligenz der Lippen und des Blicks, der Hauch von Fältchen an den Augenwinkeln als Hinweis, dass sie ihr Leben gelebt hatte. Eine große, schlanke Figur, die in eine einfache wattierte Jacke in Schwarz und Dunkelrot mit hohem Amtskragen gehüllt war, dazu passende Hosen, die weit genug waren, um als langes Hofkleid durchzugehen, wenn sie still stand. Flachsohlige Schuhe, damit sie rennen oder kämpfen konnte, wenn es sein musste.
    Eine Monomolpistole. Nicht auf mich gerichtet und auch nicht richtig gesenkt.
    Sie lächelte im schwachen Licht.
    »Ja, ich bin Aiura.«
    »Haben Sie mein beschissenes jüngeres Ich bei sich?«
    Wieder ein Lächeln. Ein Zucken der Augenbrauen, als sie zur Seite blickte, auf den Weg, den sie gekommen war. Er trat aus dem Schatten des Torbogens. Ein Grinsen war auf seinem Gesicht, aber es wirkte nicht sehr tief verwurzelt.
    »Hier bin ich, alter Mann. Hast du mir etwas zu sagen?«
    Ich musterte den gebräunten Kämpferkörper, die beherrschte Haltung und das zurückgebundene Haar. Wie ein beschissener Bösewicht aus einem billigen Samurai-Film.
    »Nichts, was du dir würdest anhören wollen«, sagte ich zu ihm. »Ich versuche hier nur die Anzahl der Idioten zu ermitteln.«
    »Aha? Ich bin es jedenfalls nicht, der gerade zweihundert Meter Felsen hinaufgeklettert und direkt in einen Hinterhalt spaziert ist.«
    Ich ging nicht auf die Stichelei ein und wandte mich wieder Aiura zu, die mich mit amüsierter Neugier beobachtete.
    »Ich bin wegen Sylvie Oshima hier«, sagte ich ruhig.
    Mein jüngeres Ich lachte hustend. Ein paar der bewaffneten Männer und Frauen nahmen es auf, aber es hielt nicht lange an. Sie waren viel zu nervös, es waren immer noch viel zu viele Waffen im Spiel. Aiura wartete, bis die letzten Lacher verklungen waren.
    »Ich glaube, dessen sind wir uns alle bewusst, Kovacs-san. Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie Sie dieses Ziel erreichen wollten.«
    »Ganz einfach. Ich möchte, dass Sie gehen und sie mir bringen.«
    Wieder raues Gelächter. Aber das Lächeln der Sicherheitsbeauftragten war verblasst, und sie forderte mit einer strengen Geste Ruhe.
    »Ersparen Sie sich die Scherze, Kovacs-san. Meine Geduld ist nicht unbegrenzt.«
    »Mir geht es genauso, glauben Sie mir. Und ich bin ziemlich erschöpft. Also sollten Sie lieber ein paar Ihrer Leute zu Sylvie Oshima runterschicken, um Sie aus dem Verhörzimmer zu holen oder wo immer Sie sie festhalten. Und ich hoffe in Ihrem Interesse, dass man ihr in keiner Weise Schaden zugefügt hat, weil in diesem Fall die Verhandlung zu Ende wäre.«
    Jetzt war es wieder völlig still im Steingarten geworden. Niemand lachte mehr. Die Envoy-Überzeugungskraft, der Tonfall meiner Stimme, meine Wortwahl, meine entspannte Haltung – all das sagte ihnen, dass sie mir glauben sollten.
    »Was gedenken Sie in die Verhandlung einzubringen, Kovacs-san?«
    »Den Kopf von Mitzi Harlan«, sagte ich nur.
    Die Stille erstarrte. Aiuras Gesicht zeigte nicht mehr Regung als eine steinerne Skulptur. Aber etwas in ihrer Haltung veränderte sich, und in diesem Moment wusste ich, dass ich sie hatte.
    »Aiura-san, ich bluffe nicht. Konrad Harlans Lieblingsenkelin wurde vor zwei Minuten in Danchi von einem Quellistenteam überwältigt. Ihr geheimdienstliches Wachkommando ist tot,

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