Heiliger Zorn
Sturm der Rotoren zum Einsatzkopter. Ich sah, wie sie sich kurz mit dem Piloten in der Maschine unterhielt, dann blickte sie sich zu mir um und machte ein Okay-Zeichen. Ich legte die Sunjet nieder und wandte mich an Aiura.
»Gut, Sie und Junior hierher. Heben Sie sie auf und bringen Sie sie zu mir rüber. Sie werden mir helfen, sie an Bord zu bringen. Alle anderen bleiben zurück.«
Es war schwierig, aber zu dritt schafften wir es, Sylvie Oshima vom Steingarten auf die Brüstung zu hieven. Brasil lief hinten herum und stellte sich zwischen uns und den Abgrund. Ich hielt die Frau mit der grauen Mähne an den Armen, während Aiura ihren Rücken stützte und der andere Kovacs ihre Beine nahm. Gemeinsam trugen wir ihren schlaffen Körper zum Einsatzkopter.
Und an der Tür beugte sich Aiura Harlan im Wummern der Rotoren über die bewusstlose Gestalt, die wir beide hielten. Der Kopter war für heimliche Einsätze konstruiert und lief recht leise, aber so nahe machte er trotzdem noch genug Lärm, sodass ich nicht verstand, was sie sagte. Ich reckte den Hals.
»Was?«
Sie kam mir noch näher. Sprach direkt und deutlich in mein Ohr.
»Ich sagte, schicken Sie sie in einem Stück zurück, Kovacs. Mit diesen Spaßrevolutionären können wir uns ein andermal auseinander setzen. Wenn Mitzi Harlan irgendein körperlicher oder geistiger Schaden zugefügt wird, werde ich den Rest meiner Existenz damit verbringen, Sie zu jagen und zu erlegen.«
Im Lärm grinste ich sie an. Ich hob die Stimme, während sie sich zurückzog.
»Sie können mir keine Angst machen, Aiura. Ich hatte mein ganzes Leben lang mit Ärschen wie Ihnen zu tun. Sie kriegen Mitzi zurück, weil ich es versprochen habe. Aber wenn Ihnen wirklich so viel an ihr liegt, sollten Sie für die Schlampe lieber einen längeren Urlaub auf einem anderen Planeten buchen. Diese Leute machen keine halben Sachen.«
Sie blickte auf Sylvie Oshima hinab.
»Sie ist es nicht, müssen Sie wissen«, rief sie. »Sie kann es unmöglich sein. Quellcrist Falconer ist tot. Real tot.«
Ich nickte. »Okay. Aber wenn das so ist, warum ist dann die ganze Erste Familie so aus dem Häuschen?«
Die Sicherheitsbeauftragte brüllte sich wirklich in Rage. »Warum? Weil sie, wer immer das ist – und sie ist nicht Quell – eine Seuche aus der Ungeräumten Zone eingeschleppt hat. Eine ganz neue Art von Tod. Fragen Sie sie nach dem Qualgrist-Protokoll, wenn sie aufwacht, und dann fragen Sie sich selbst, ob das, was ich getan habe, um sie aufzuhalten, wirklich so schrecklich war.«
»He!« Es war mein jüngeres Ich, die Ellbogen unter Sylvies Knie geklemmt, die Hände darunter ausdrucksvoll ausgebreitet. »Wollen wir diese Schlampe nun verladen, oder wollt ihr die ganze Nacht lang darüber weiterdiskutieren?«
Ich hielt seinen Blick für einen längeren Moment fest, dann hob ich Sylvies Kopf und Schulter vorsichtig hinauf, wo Sierra Tres in der engen Kabine des Einsatzkopters wartete. Der andere Kovacs stieß kräftig nach, und der Rest des Körpers folgte nach drinnen. Die Bewegung brachte ihn in meine unmittelbare Nähe.
»Es ist noch nicht vorbei«, brüllte er mir ins Ohr. »Wir beide haben noch eine Rechnung zu begleichen.«
Ich hebelte einen Arm unter Sylvie Oshimas Knie und drängte ihn mit dem Ellbogen zur Seite, weg von ihr. Mit festem Blickkontakt.
»Fordere mich lieber nicht heraus«, schrie ich, »du eingekaufter kleiner Scheißer.«
Er regte sich auf. Brasil preschte heran. Aiura legte meinem jüngeren Ich die Hand auf den Arm und sprach ihm ins Ohr. Er wich zurück. Hob einen Finger wie eine Pistole und richtete ihn auf mich. Was er sagte, ging im Rattern der Rotoren unter. Dann zerrte die Sicherheitsbeauftragte der Harlans ihn fort, an der Brüstung entlang, bis sie einen sicheren Abstand erreicht hatten. Ich sprang in den Dracul, machte neben mir Platz für Brasil und nickte Sierra Tres zu. Sie sprach direkt mit dem Piloten, worauf sich der Kopter von der Brüstung löste. Ich starrte zum anderen, jüngeren Kovacs hinaus. Beobachtete, wie er zurückstarrte.
Wir hoben ab.
Das Grinsen auf Brasils Gesicht neben mir schien festgeklebt zu sein, wie die Maske für eine Zeremonie, zu der ich nicht eingeladen worden war. Ich antwortete ihm mit einem müden Nicken. Plötzlich fühlte ich mich völlig erschöpft, sowohl geistig als auch körperlich. Die lange Schwimmtour, die gnadenlose Anstrengung und die Nahtodmomente während des Kletterns, die extreme Anspannung während der
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