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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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dann wieder auf mich.
    »Natürlich wäre ich das«, sagte sie sanft, als würde sie es einem Kind erklären. »Was glaubst du, was ich hier mache?«
     
    Eine Stunde später wurde plötzlich die Funkstille auf dem Geheimkanal gebrochen, und es kam eine aufgeregte Sendung herein. Die Einzelheiten waren verwirrend, aber das Wesentliche war eindeutig und triumphal. Soseki Koi und eine kleine Gruppe Überlebender hatten dem Mitzi-Harlan-Debakel entkommen können. Der Fluchtweg aus Millsport war sicher gewesen.
    Sie waren bereit, zu kommen und uns zu holen.

 
35
     
     
    Als wir den Hafen des Dorfes ansteuerten und ich mich umsah, war es ein überwältigendes Déjà-vu-Gefühl. Beinahe konnte ich den Brandgeruch wieder riechen und die Angstschreie wieder hören.
    Beinahe konnte ich mich selbst sehen.
    Reiß dich zusammen, Tak. Es ist nicht hier geschehen.
    So war es. Aber es war dieselbe lockere Ansammlung von Schlechtwetterbehausungen hinter dem Hafen, dieselbe winzige Ballung von Hauptstraßengeschäften und derselbe Arbeitskomplex an einem Ende der Hafenbucht. Dieselben Küstentrawler und Tender, die am Kai festgemacht waren, überragt vom dürren Auslegerrumpf eines großen ozeantauglichen Rochenjägers in ihrer Mitte. Es gab sogar dieselbe aufgegebene Mikuni-Forschungsstation am anderen Ende des Hafenbeckens und nicht weit dahinter das auf einem Felsen hockende Gebetshaus, das es als Brennpunkt des Dorfes ersetzt haben musste, als die Subventionen für das Projekt ausblieben. Auf der Hauptstraße bewegten sich trist verhüllte Frauen, als müssten sie mit gefährlichen Substanzen arbeiten. Für die Männer galt das nicht.
    »Bringen wir es hinter uns«, murmelte ich.
    Wir machten das Dingi am Strandende fest, wo sich verschmutzte und abgenutzte Plastiklandestege in vernachlässigter Schräge ins seichte Wasser neigten. Sierra Tres und die Frau, die sich Nadia Makita nannte, saßen im Heck, während Brasil und ich unser Gepäck entluden. Wie jeder andere, der im Millsport-Archipel kreuzte, hatten auch die Eigentümer der Boubin angemessene weibliche Kleidung an Bord eingelagert, für den Fall, dass sie eine der Gemeinschaften am Nordarm ansteuerten, und sowohl Tres als auch Makita waren bis zu den Augen verschleiert. Wir halfen ihnen beim Aussteigen aus dem Dingi – mit gleichermaßen angemessener Dienstbeflissenheit, wie ich hoffte. Dann hoben wir die Taschen auf und machten uns auf den Weg über die Hauptstraße. Es war ein langwieriger Prozess – Sierra Tres hatte sich bis zum Stehkragen mit militärischen Schmerzmitteln voll geknallt, bevor wir die Jacht verlassen hatten, aber mit dem Verband und dem Flexmetallschuhen lief sie wie eine alte Frau. Wir fingen uns ein paar neugierige Blicke ein, aber ich schrieb sie eher Brasils blondem Haar und seiner Statur zu. Schon bald wünschte ich mir, wir hätten auch ihn verschleiert.
    Niemand sprach uns an.
    Wir fanden das einzige Hotel des Dorfes am Hauptplatz und buchten Zimmer für eine Woche. Dazu benutzten wir zwei unberührte ID-Datenchips aus der Sammlung, die wir von Vchira mitgebracht hatten. Als Frauen waren Tres und Makita unsere Mündel und benötigten keinen eigenen ID-Check. Die verhüllte Empfangsdame begrüßte sie trotzdem mit einer Wärme, die sich in kritische Besorgnis verwandelte, als ich erklärte, dass meine greise Tante eine schwere Hüftverletzung erlitten hatte. Ich wies das Angebot eines Besuchs durch den Frauenarzt des Dorfes schroff zurück, worauf sich die Empfangsdame der Demonstration männlicher Autorität beugte. Mit zusammengekniffenen Lippen beschäftigte sie sich mit der Eingabe unserer Daten. Durch das Fenster neben ihrem Tresen konnte man auf den Platz schauen und die erhöhte Plattform und die Befestigung für den Bestrafungsstuhl der Gemeinschaft erkennen. Ich starrte eine Weile hinüber, dann konzentrierte ich mich wieder auf die Gegenwart. Wir hinterließen unsere Handabdrücke auf einem antiken Scanner und gingen nach oben in unsere Zimmer.
    »Hast du etwas gegen diese Leute?«, fragte Makita mich, als sie ihre Kopfbedeckung auszog. »Du scheinst sehr zornig zu sein. Ist das der Grund für deinen Rachefeldzug gegen die Priester?«
    »Es hat damit zu tun.«
    »Ich verstehe.« Sie schüttelte ihr Haar aus, fuhr mit den Fingern hindurch und betrachtete die Maske aus Stoff und Metall in ihrer anderen Hand mit einer Neugier, die im krassen Widerspruch zur offenen Abneigung stand, die Sylvie Oshima an den Tag gelegt hatte, als sie

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