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Heiß wie der Steppenwind

Heiß wie der Steppenwind

Titel: Heiß wie der Steppenwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schöner! Ihre Augen können, wenn sie glücklich ist, ein Teil des Himmels sein …« Pjetkin nahm das lederne Etui vom Tisch, schob das Foto hinein, und die Hülle paßte genau, wie Marko gesagt hatte. Er öffnete sein Hemd, band das Mäppchen um den Hals und drückte es auf die nackte Brust. Dann knöpfte er das Hemd wieder zu und zog den weißen Arztkittel darüber. »Es war eine gute Idee, Marko. Ich werde Dunja nie mehr allein lassen.«
    »Und wenn die Dussowa, dieser feurige Satan, dich auszieht?« Marko schielte zu Pjetkin hinauf und wunderte sich nicht, daß Igor verlegen wurde und im Zimmer hin und her ging. »Wie ist's mit ihr?«
    »Wenn sie will, kommt sie zu mir und vergewaltigt mich«, sagte Igor dumpf.
    »Und glaubt, daß du sie liebst?«
    »So ist es.«
    »Und du hast Macht über sie, nicht wahr? Sie schmilzt unter deinen Händen wie Kerzentalg.«
    »Sie macht es wie Dobronin. Sie fordert von der zentralen ärztlichen Beschaffungsstelle alles an, was ich verlange.« Pjetkin lächelte schief. »Ich habe bereits einen Defibrillator und ein neues Röntgengerät. Es ist fast ein Wunder. Keine Rückfragen, keine Ablehnungen, keine Verzögerungen – wir bestellen es, und beim nächsten Materialtransport sind die Kisten dabei.«
    Auf dem Rückweg von Pjetkin zur Fleischerei trat das ein, was längst fällig war: Marko stieß mit der Dussowa zusammen. Sie rannte aus einem Verbandsraum und blieb wie von einem Schlag getroffen stehen, als sie den Zwerg fröhlich den Gang herunterkommen sah.
    »Ich hätte es mir denken können«, sagte sie mit ihrer dunklen Stimme, in der man die Taiga rauschen hörte. »Wo Igor ist, winselt auch sein Hofhund. Wo kommst du her?«
    »Zum Gruße, Töchterchen«, sagte Marko fröhlich und lüftete seine Mütze. »Du glaubst es nicht – aber die Sehnsucht trieb mich Tausende Werst durch die Wildnis nach Workuta.«
    Die Dussowa sah Marko mit verkniffenen Augen an. Sie fragte nicht nach dem logischsten: Woher weißt du, daß ich hier in Workuta bin? Wie bist du ins Lager gekommen? Mit welchen unverschämten Lügen lebst du hier gesund und fröhlich unter den Toten Seelen? Nein, sie zog nur die schönen, vollen Lippen zusammen zu einem Strich und sagte:
    »Wenn ich dich noch einmal treffe, wirst du wie Ungeziefer behandelt. Hinaus, du Rotzfleck!«
    »Welchen Irrweg die Liebe geht«, sagte Marko und schob sich an der Dussowa vorbei. Dann beeilte er sich, aus ihren Augen zu kommen. Zu allem ist sie fähig, dachte er und rannte davon.
    Marko Borissowitsch ging über den großen Appellplatz zu den Verwaltungsbaracken. Er wußte nicht, daß die Dussowa ihn vom Fenster der Apotheke beobachtete, den Kopf gesenkt, die Stirn in Falten, sehr nachdenklich und ertrinkend in langsam aufsteigender Angst.
    Er ist nicht zufällig hier, das wußte sie. Er ist Pjetkins Auge und Ohr, Hand und Sprache nach draußen. Er ist Pjetkins verlängerter Körper … so hoch die Zäune auch sind, durch Marko lebte Igor in der Freiheit.
    Dunja! War Marko die Brücke zum Frauenlager? Pendelte er hin und her, eine Biene, die den Honig der Liebe von Lager zu Lager trägt?
    Marianka Dussowa schlug die Fäuste gegeneinander und ging mit ihrem festen Schritt durch das Krankenhaus. Wer sie von weitem kommen sah, verschwand sofort im nächsten Zimmer. Jeder kannte diesen Gang, das Dröhnen ihrer langen Stiefel. Ihr jetzt zu begegnen, war ein Schicksalsschlag. Sie ging zum OP I, wo Pjetkin gerade einen Nierenstein entfernte. Alle Köpfe fuhren herum, als die Tür klappte. Pjetkin hob abwehrend die Hand.
    »Sie sind nicht steril, Marianka Jefimowna!« rief er.
    »Wie oft soll ich Ihnen sagen, daß ich immer steril bin?« schrie sie zurück. »Kommen Sie heraus, Pjetkin, ich habe mit Ihnen zu reden!«
    »Ich operiere.«
    »Den Nierenstein kann Dr. Tarrasow weitermachen.«
    Dr. Tarrasow, ein junger Arzt aus Kiew, zuckte zusammen und starrte Pjetkin hilfesuchend an. Er hatte noch nie selbständig operiert. Der Nierenstein flößte ihm Angst ein. Das offene Nierenbecken, die bereits gespaltene Niere, die vielen Klemmen und Ligaturen … er stand davor wie ein Bauer vor einem zerrissenen Computer.
    »Tarrasow kann das nicht«, sagte Pjetkin ruhig. »In einer halben Stunde stehe ich zur Verfügung, Marianka Jefimowna.«
    »Jetzt!« schrie sie. Ihr Gesicht glühte. »Was kümmert mich Tarrasow? Ich rede jetzt mit Ihnen, Igor Antonowitsch!«
    Pjetkin legte die lange, gebogene Zange weg, mit der er den Nierenstein herausholen

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