Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heldenklingen

Heldenklingen

Titel: Heldenklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
Vom Netzwerk:
oder Frosch oder Insekt, aber Tunny konnte nichts entdecken. Vielleicht war es der Sumpf selbst, der über sie lachte.
    »Forest, der verdammte Hund«, flüsterte er. Ein Bataillon durch eine derartige Landschaft zu führen, das war so ähnlich, als ob man eine Herde Schafe durch ein Kanalsystem zu treiben versuchte. Und wie immer war es so, aus Gründen, die sich ihm nicht erschlossen, dass er und die vier unerfahrensten Rekruten des gesamten Unionsheers die Vorhut bildeten.
    »Wohin jetzt, Korporal Tunny?«, fragte Werth, der sich schon wieder den Bauch hielt.
    »Der Kundschafter hat gesagt, wir sollen uns an die grasbewachsenen Stellen halten!« Leider gab es hier nicht viel von dem, was ein ehrlicher Mann als Gras hätte bezeichnen wollen. Viele ehrliche Männer allerdings auch nicht. »Hast du ein Seil, mein Junge?«, fragte er Dotter, der sich neben ihm durch den Schlamm kämpfte und eine lange Dreckspur auf der sommersprossigen Wange hatte.
    »Die Seile haben wir bei den Pferden gelassen, Korporal.«
    »Natürlich. Natürlich haben wir das, verdammt noch mal.« Bei den Schicksalsgöttinnen, wie sehr wünschte Tunny sich, dass man ihn selbst bei den Pferden gelassen hätte. Er machte einen Schritt, und kaltes Wasser lief über den Rand seines Stiefels und packte seinen Fuß wie eine klamme Hand. Gerade wollte er einen richtigen Fluch ausstoßen, als hinter ihm ein schriller Schrei ertönte.
    »Ah! Mein Stiefel!«
    Tunny fuhr herum. »Leise, Idiot!« Dabei war er selbst viel zu laut. »So hören uns die Nordmänner noch in Carleon, verdammt noch eins!«
    Doch Klige achtete nicht auf ihn. Er hatte sich ein ganzes Stück von den Binsen entfernt und einen seiner Stiefel verloren, der noch im Moor steckte. Bei dem Versuch, ihn wieder einzufangen, watete er etwas hinaus und sackte gleich bis zu den Oberschenkeln ein. Dotter kicherte über seine Bemühungen.
    »Lassen Sie das sein, Klige, Sie Narr!«, fauchte Tunny, der sich nun vorsichtig zu dem Rekruten hinübertastete.
    »Hab ihn schon!« Das Moor machte ein schmatzendes, saugendes Geräusch, als Klige seine flüchtige Fußbekleidung herauszog, die aussah, als sei sie von schwarzem Haferschleim bedeckt. »Huah!« Unvermittelt rutschte er erst zu einer Seite weg, dann zur anderen. »Huah!« Schon steckte er bis zur Hüfte im Moor, und sein Gesichtsausdruck wandelte sich in Sekundenschnelle von Triumph zu Entsetzen. Dotter kicherte wieder, dann begriff er plötzlich, was geschah.
    »Wer hat ein Seil?«, brüllte Lederlingen. »Hol mal einer ein Seil! Schnell!« Er arbeitete sich zu Klige vor und hielt sich dabei am nächsten Baum fest, der einen blattlosen Ast über den Sumpf streckte. »Nimm meine Hand! Nimm meine Hand!«
    Aber Klige geriet in Panik, schlug um sich und sank dadurch nur noch tiefer ein. Er ging mit entsetzlicher Geschwindigkeit unter, den Kopf zurückgeworfen, der, ein schwarzes Blatt auf einer Wange, nur noch ein kleines Stück aus dem Moor herausguckte.
    »Hilfe!«, kreischte er, aber seine ausgestreckten Finger waren einen guten Schritt von Lederlingens Hand entfernt. Tunny hatte die beiden nun erreicht und schob Klige die Standartenstange entgegen. »Hilfeeeemmmrgh … « Seine hervorquellenden Augen richteten sich auf Tunny, dann waren sie verschwunden, sein erst noch auf dem Wasser treibendes Haar ging unter, ein paar Blasen stiegen zur öligen Oberfläche auf, und dann war alles vorbei. Tunny stocherte sinnlos im Sumpf herum, aber Klige war verschwunden. Abgesehen von dem geretteten Stiefel, der langsam davontrieb, zeugte keine Spur mehr davon, dass es ihn je gegeben hatte.
    Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück. Die anderen Rekruten sahen noch immer aus wie vom Donner gerührt, Tunny hatte die Zähne entschlossen zusammengebissen, und sie alle hielten sich so ängstlich an die kleinen Büschel gelben Krauts wie neugeborene Fohlen an die Flanken ihrer Mütter. Es dauerte nicht lange, und das Land stieg leicht an; statt der verdrehten Sumpfungeheuer wuchsen hier wieder richtige Bäume, Fichten und Eichen. Tunny lehnte die verdreckte Standarte gegen einen Stamm und blieb stehen, die Hände in die Hüften gestemmt. Seine schönen Stiefel waren ruiniert.
    »Scheiße!«, zischte er. »Verdammte Scheiße!«
    Dotter ließ sich in den Dreck sinken, starrte ins Nichts, und seine weißen Hände zitterten. Lederlingen fuhr sich mit der Zunge über die blassen Lippen, atmete heftig und sagte nichts. Werth war nirgendwo zu sehen, obwohl Tunny

Weitere Kostenlose Bücher