Helle Barden
Außer-
dem veranlasse ich hiermit eine gründliche Durchsuchung des Gebäudes.
Habt ihr verstanden?«
»Wonach soll gesucht werden, Professor?«
»Nach al em, das… versteckt ist. Wenn ihr etwas findet und nicht wißt,
was es damit auf sich hat, benachrichtigt sofort den Rat. Und rührt das
Ding nicht an.«
»Aber Professor, im Gildenhaus sind zahllose Dinge versteckt…«
» Dieses versteckte Ding ist anders als al e anderen versteckten Dinge, kapiert?«
»Nein, Herr.«
»Gut. Und kein Wort davon zu den blöden Wächtern. Du, Junge…
bring mir meinen Hut.« Professor Kreuz seufzte. »Ich schätze, ich muß
dem Patrizier Bescheid geben.«
»Tut mir leid, Herr.«
Der Hauptmann schwieg, bis sie die Messingbrücke überquert hatten.
»Nun, Korporal Karotte«, sagte er, »ich habe dich mehrmals darauf
hingewiesen, wie wichtig das Beobachten ist, nicht wahr?«
»Ja, Hauptmann. Deinen diesbezüglichen Bemerkungen habe ich im-
mer große Beachtung geschenkt.«
»Na schön. Was hast du also beobachtet?«
»Ein Spiegel ging zu Bruch. Alle wissen, daß Assassinen Spiegel mö-
gen. Aber wenn jener Raum eine Art Museum ist… Wieso befand sich
dort ein Spiegel?«
»Bitte, Herr.«
»Wer hat das gesagt?«
»Ich. Hier unten. Ich bin’s, Obergefreiter Knuddel.«
»Oh, ja. Ja?«
»Ich kenne mich ein bißchen mit Feuerwerkskörpern aus. Wenn sie
abbrennen oder explodieren, entsteht ein ganz besonderer Geruch. Der
fehlte bei der Gilde. Dort hat’s ganz anders gestunken.«
»Gut… gerochen, Knuddel.«
»Und dort lag ein halb verbranntes Seil mit Rollen dran.«
»Ich habe Drachen gerochen«, sagte Mumm.
»Im Ernst, Hauptmann?«
»Ja.« Mumm verzog das Gesicht. Wer etwas Zeit in der Gesellschaft
von Lady Käsedick verbrachte, fand schnel heraus, wie Drachen rochen.
Wenn der erstaunte Besucher beim Essen plötzlich einen schuppigen
Kopf auf dem eigenen Schoß vorfand, versuchte er, die Ruhe zu bewah-
ren und ihm den einen oder anderen Leckerbissen zu geben – in der
Hoffnung, daß der Sumpfdrache keinen Schluckauf bekam.
»In dem Zimmer stand ein gläserner Behälter«, fuhr Mumm fort. »Er
wurde zertrümmert. Ha! Um etwas zu stehlen. Draußen auf dem Hof lag
ein Stück Pappe, aber jemand ließ es verschwinden, als ich mit dem alten
Kreuz sprach. Hundert Dol ar gäbe ich, um zu erfahren, was darauf ge-
schrieben stand.«
»Warum, Hauptmann?« fragte Karotte.
»Weil der verdammte Kreuz etwas verheimlicht.«
»Ich weiß, wodurch das Loch in der Wand entstanden sein könnte«,
warf Angua ein.
»Ach?«
»Durch einen explodierenden Drachen.«
Während der nächsten Schritte herrschte verblüfftes Schweigen.
»Das wäre möglich, Hauptmann«, sagte der loyale Karotte. »Manchmal
platzen die kleinen Teufel schon auseinander, wenn sie sich nur er-
schrecken.«
»Ein Drache«, murmelte Mumm. »Wie kommst du darauf, Obergefrei-
te Angua?«
Angua zögerte. Die Antwort »Ein Hund hat’s mir erzählt« hielt sie
nicht für besonders klug. Darunter konnte ihre Karriere beim Militär
leiden.
»Weibliche Intuition?« erwiderte sie vorsichtig.
»Nun«, sagte Mumm, »gibt dir die Intuition viel eicht auch einen Hin-
weis, was gestohlen wurde?«
Angua zuckte mit den Schultern, und Karotte beobachtete interessiert,
wie sich dabei ihre Brust bewegte.
»Ein Gegenstand, den die Assassinen an einem Ort aufbewahrten, wo
sie ihn ständig betrachten konnten?« spekulierte sie.
»O ja .« Mumm nickte. »Und gleich behauptest du noch, der Hund hätte alles gesehen, wie?«
»Wuff?«
Edward d’Eath zog die Vorhänge zu, verriegelte die Tür und lehnte sich
dagegen. Es war so leicht gewesen!
Das Bündel lag auf dem Tisch: dünn, etwa hundertzwanzig Zentimeter
lang.
Edward packte das Objekt aus und starrte vol er Ehrfurcht darauf hin-
ab.
Es sah genauso aus wie auf der Zeichnung. Typisch für den Mann…
Dutzende detaillierter Diagramme von Armbrüsten, und dies am Rand,
als wäre es völlig unwichtig.
Ein einfaches Prinzip steckte dahinter. Warum war der Gegenstand
überhaupt versteckt worden? Vielleicht deshalb, weil sich die Leute da-
vor fürchteten. Der Macht begegneten sie immer mit Furcht. Sie weckte
Unbehagen in ihnen.
Edward griff nach dem Objekt, hielt es eine Zeitlang fest und stellte
fest, daß es sich gut an Schulter und Arm schmiegte.
Du gehörst mir.
Und das war das Ende von Edward d’Eath, mehr oder weniger. Er
starb nicht etwa, zumindest nicht sofort, aber
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