Helle Barden
etwas anderes nahm seinen
Platz ein, etwas, das nicht mehr dachte wie ein Mensch.
Es war fast Mittag. Feldwebel Colon hatte die neuen Rekruten zum
Schießstand bei Indeckung geführt.
Mumm und Karotte gingen Streife.
Der Hauptmann spürte, wie es in ihm brodelte. Etwas kratzte an sei-
nen verrosteten, aber noch funktionierenden Instinkten und versuchte,
seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Alles in ihm drängte danach, sich zu
bewegen. Diesmal fiel es Karotte schwer, nicht den Anschluß zu verlie-
ren.
In der Straße vor dem Gildenhaus begegneten sie drei Assassinenlehr-
lingen, die noch immer damit beschäftigt waren, die Trümmer zu beseiti-
gen.
»Assassinen am hellichten Tag«, knurrte Mumm. »Bin überrascht, daß
sie nicht zu Staub zerfal en.«
»Du verwechselst sie mit Vampiren«, erwiderte Karotte.
»Ha! Du hast recht. Assassinen und Diebe mit Lizenzen und verdamm-
te Vampire! Ach, einst war dies eine großartige Stadt, Junge.«
Ganz unbewußt fielen sie in den Patrouillenschritt.
»Als es noch Könige gab, Hauptmann?«
»Könige? Könige? Lieber Himmel, nein!«
Zwei Assassinen drehten sich verwirrt um.
»Wenn du’s genau wissen wil st…«, sagte Mumm. »Ein Monarch ist ein
absoluter Herrscher. Gewissermaßen der Ober-Honcho…«
»Es sei denn, es handelt sich um eine Königin«, warf Karotte ein.
Mumm durchbohrte ihn mit einem finsteren Blick, bevor er nickte.
»In Ordnung: die Ober-Honchette…«
»Was natürlich nur gilt, wenn sie eine junge Frau ist. Al erdings neigen
Königinnen dazu, älter zu sein. In dem Fal wäre es eine… Honcharina?
Nein, diese Bezeichnung paßt nur auf eine sehr junge Prinzessin. Nein…
äh… Es müßte Honchesa heißen, glaube ich.«
Mumm zögerte. Es ist die besondere Atmosphäre in dieser Stadt, dach-
te er. Hätte der Schöpfer in Ankh-Morpork gesagt: »Es werde Licht!«,
wäre er von den Bürgern sofort mit der Frage »In welcher Farbe?« un-
terbrochen worden.
»Der oberste Herrscher, einverstanden?« schlug der Hauptmann vor
und setzte sich wieder in Bewegung.
»Einverstanden.«
»Das ist doch nicht richtig, oder? Ich meine, ein einzelner Mann ent-
scheidet über Leben und Tod.«
»Nun, wenn es ein guter Mann ist…«, begann Karotte.
»Was? Was? Na schön. Laß uns einmal annehmen, der oberste Herr-
scher beabsichtigt, sich an gute, ehrenwerte Prinzipien zu halten. Aber
gilt das auch für seinen Stellvertreter? Das sol test du besser hoffen.
Denn er ist ebenfal s der oberste Herrscher, im Namen des Königs. Und der ganze Rest des Hofes… muß sich ebenfal s aus guten Leuten zu-sammensetzen. Gehört auch nur ein schlechter Mann dazu, ist das Resul-
tat Bestechung und Vetternwirtschaft.«
»Der Patrizier ist ein oberster Herrscher«, meinte Karotte. Er nickte ei-
nem Troll zu. »Guten Tag, Herr Karfunkel.«
»Aber er trägt weder eine Krone, noch sitzt er auf einem Thron«, sagte
Mumm. »Er teilt seinen Untertanen auch nicht mit, es sei richtig, daß er regiert. Ich hasse den Kerl, doch eins muß man ihm lassen: Er ist ehrlich.
So ehrlich wie ein Korkenzieher.«
»Trotzdem, ein guter Mann als König…«
»Ja? Und dann? Königliches vergiftet das Bewußtsein, Junge. Ehrliche
Männer fangen an, sich zu verbeugen, nur weil der Großvater von irgend
jemandem mehr Burschen umgebracht hat als ihrer. Hör mir gut zu!
Viel eicht hatten wir mal gute Könige! Aber Königen folgen weitere Kö-
nige! Und früher oder später – meistens früher – führt diese Entwicklung
zu Großvätern, die mehr Leute umgebracht haben als andere. Und damit
nicht genug. Sie hacken Königinnen den Kopf ab und kämpfen dauernd
gegen die Vettern! Jahrhundertelang ging das so. Bis jemand aufstand
und sagte: ›Wir wol en keine Könige mehr!‹ Daraufhin erhoben wir uns
al e, um die verdammten Adligen zu vertreiben, und wir zerrten den Kö-
nig vom Thron, und wir brachten ihn zum Hier-gibt’s-al es-Platz, und
dort enthaupteten wir ihn, jawohl. Wurde auch höchste Zeit!«
»Donnerwetter«, sagte Karotte. »Wer war es?«
»Wen meinst du?«
»Den Mann, der aufstand und sagte: ›Wir wol en keine Könige mehr!‹«
Die Passanten starrten sie groß an, und Mumms Gesichtsfarbe wandel-
te sich: Aus dem Rot des Zorns wurde das Rot der Verlegenheit. Doch
eigentlich gab es dabei keinen nennenswerten Unterschied.
»Oh. Er war damals Kommandant der Stadtwache«, murmelte Mumm.
»Sie nannten ihn ›Altes Steingesicht‹.«
»Hab’ nie
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