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Henkerin

Titel: Henkerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Martin
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die Herren hungrig?«
    »Bring uns Käse und Brot«, antwortete von Säckingen. »Das passt am besten zu dem Roten hier.«
    Wieder knickste die Magd und machte sich auf, seinen Wunsch zu erfüllen. Von Säckingen nickte Dietrich zu und fragte sich wie jedes Mal, wenn er ihn sah, woher dieser die Narbe hatte, die sein Gesicht in zwei Teile zu spalten schien. Bisher hatte der Bursche sein Geheimnis nicht lüften wollen, und von Säckingen wusste, wann er sich gedulden musste.
    »Ich habe von einem Mönch gehört, der kürzlich in Esslingen eingetroffen sein soll«, begann er. »Was könnt Ihr mir über ihn erzählen?«
    »Den Barfüßer meint Ihr?« Dietrichs Stimme dröhnte tief. »Was wollt Ihr denn wissen?«
    »Ob er gestern die Stadt verlassen hat. Vielleicht, um sich auf den Fildern nach Irrgläubigen umzusehen.«
    Dietrich kniff die Augen zusammen. »Gestern war tatsächlich ein Barfüßer auf den Fildern unterwegs. Ich glaube, das war Euer Mann. Und es heißt, er sei zu spät zur Komplet gekommen.«
    »Mitten in der Nacht also.« Von Säckingen rieb sich das Kinn. Stoppeln kratzten seine schwieligen Hände. Die Magd stellte Käse und Brot auf den Tisch und verschwand wieder.
    »Es heißt, er sei ganz verstört gewesen und habe etwas von einer Erscheinung gefaselt«, fuhr der Fuchs fort.
    »Nichts von einem Mädchen?«
    »Doch. Die Jungfrau Maria sei ihm erschienen, und er habe sie vor den Waldensern gerettet.«
    »Nehmt einen tüchtigen Schluck, Dietrich.« Von Säckingen leerte seinen Becher und schenkte nach. Er nickte zufrieden. Das würde passen. Augenscheinlich hatte der Mönch versucht, die Wahrheit zu verschleiern, und sich die Geschichte von der Erscheinung zurechtgesponnen. »Ist er jetzt im Kloster?«
    Dietrich bejahte die Frage mit einem Grunzen und leerte seinen Becher, den von Säckingen sofort wieder auffüllte. »Aber er wird es noch heute verlassen, um über Stuttgart nach Nürnberg zu reisen. Sein Auftrag ist es, Bericht zu erstatten über die Ketzer hier in der Gegend.« Dietrichs Miene blieb ohne Regung.
    »Und? Gibt es hier welche?«
    »Davon gehe ich aus. So viele wie in jeder freien Stadt.«
    »Auf welchen Namen hört der fromme Mann?«
    »Im Kloster rufen sie ihn Bruder Eusebius. Er vertraut auf Gott, denn er wird alleine reisen.«
    Von Säckingen zog die rechte Augenbraue hoch. »Es scheint, als wäre Gott auf meiner Seite.« Er nahm eine Münze aus seinem Beutel und schob sie dem Fuchs über den Tisch zu. »Habt Dank. Wenn Bruder Eusebius besitzt, was ich suche, werde ich mich noch großzügiger zeigen. Haltet weiterhin Augen und Ohren offen.«
***
    »Du Hundsfott!«, schrie der Fuhrmann. »Hau ab. Mach den Weg frei!«
    Melisande kauerte hinter einem Felsbrocken und beobachtete die Männer. Sie war durch den Wald zum Neckar hinuntergeklettert, an dessen Ufer sich eine Landstraße entlangwand. Da sie sich nicht sicher gewesen war, in welcher Richtung sich Esslingen befand, hatte sie sich erst einmal versteckt und abgewartet, bis die ersten Reisenden auftauchten. Der Weg war hier so eng, dass zwei Fuhrwerke nur mit Mühe aneinander vorbeikamen.
    »Dir werd ich’s geben!«, schrie der andere und schwang drohend die Fäuste. »Was musst du die Balken auch querlegen! Du hohle Nuss, du! Du Bauerntölpel.«
    Der Erste lief dunkelrot an. »Du Hurensohn nennst mich einen Bauerntölpel? Du Zipfler! Du Zungenklaffer! Dir werd’ ich’s besorgen.«
    Gleichzeitig sprangen die beiden von ihren Fuhrwerken, gingen mit fliegenden Fäusten aufeinander los.
    Das war die Gelegenheit! Melisande lief geduckt zu dem Karren, der Kisten und Fässer geladen hatte, und kletterte hinauf. Sie hatte die beiden Männer eine Zeitlang belauscht und erfahren, dass der Mann, auf dessen Karren sie gestiegen war, in die Pliensauvorstadt wollte. Schnell fand sie, was sie suchte: eine leere Kiste. Sie schlüpfte hinein, verbog dabei ihre Glieder, als wären ihr die Knochen abhandengekommen.
    Der Faustkampf war nicht von Dauer, denn andere Fuhrleute kamen dazu, trennten die Streithähne, legten die Balken ordentlich auf den Wagen, und schon nach kurzer Zeit ging es weiter, wobei die beiden sich noch alle Schimpfwörter hinterherriefen, die ihnen einfielen.
    Melisande war wohlweislich nicht in eins der Fässer gestiegen. Die standen nämlich ganz vorn und wurden sicherlich zuerst abgeladen. Wenn das Glück ihr hold war, gönnte sich der Fuhrmann nach getaner Arbeit erst einmal einen oder zwei Becher Wein, bevor er sich um die

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